Universität Hamburg: TTT

Forschung zum Austauschprojekt Tricontinental Teacher Training (TTT)

Eine qualitative Interviewstudie zum Umgang mit Ungewissheit und Irritationen

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Freiwillige Begleitforschung

Wir sehen in den Daten, dass die Vorstellungen der Teilnehmenden, was es bedeutet ‚culturally-sensitive‘ und anderen Werten oder Routinen gegenüber offen zu sein, herausgefordert werden. Außerdem sind ‚Body‘ und ‚Space‘ bei Irritationsmomenten zentral, z. B. bei Themen wie race, class, gender, Wertevorstellungen, eigenen Identitäten sowie dem Erfahren unbehaglicher Situationen.
Dr. Anja Wilken, Post-Doc und TTT Projektkoordinatorin, Universität Hamburg 

Im Rahmen des Austauschprojekts Tricontinental Teacher Training (TTT) für Lehramtsstudierende zwischen Universitäten in Ghana, Deutschland und North Carolina, USA, wurde eine umfangreiche Begleitforschung betrieben. Die Teilnahme war freiwillig und das Forschungsprojekt wurde durch die Ethikkommission der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg (UHH) sowie das Institutional Review Board (der University of North Carolina at Chapel Hill, kurz UNC-CH) genehmigt. Es wurden unterschiedliche Datensorten (Interviews, Reflective Journals, Gruppendiskussionen) zu verschiedenen Zeitpunkten im Projekt erhoben (s. Grafik).

Grafik zum Ablauf und Aufbau des ProjektesGleichzeitig wurden die Erhebungen im Sinne einer nachhaltigen Datennutzung so angelegt, dass verschiedene Erkenntnisinteressen verfolgt werden können, um Kooperationen mit internationalen Forschenden der Universitäten UHH, UNC-CH und der University of Education Winneba (UEW) zu ermöglichen und zu festigen. Insbesondere sind hier Prof. Telse Iwers und Prof. Andreas Bonnet (UHH), Prof. Jocelyn Glazier und Taylor Schmidt (UNC-CH) und Prof. Samuel Hayford und Prof. Dandy Dampson (UEW) zu nennen.

In Situationen von Ungewissheit und Unsicherheit neigen wir dazu, bekannte kognitive Strukturen und Prozesse zu aktivieren. Diese bilden sich u. a. darin ab, durch Sozialisation und Erziehung gelernte Stereotype wieder aufzurufen, um das Wahrnehmungsfeld erfassbar zu machen und einzugrenzen. Dabei haben auch kognitive Setzungen, sogenannte subjektive Imperative, eine strukturierende Funktion. Durch Konfrontationen mit Befremdlichem in ‚fremden‘ Situationen erhalten die Studierenden die Gelegenheit, diese Prozesse während ihres Auftretens und auch im Anschluss daran durch persönliche Reflexionen zu erfahren und zu verstehen.
Prof. Telse Iwers, Professorin für Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Pädagogischen Psychologie, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Universität Hamburg

Die zentrale Ausgangsfrage

Im Zentrum der Begleitforschung steht eine mehrschrittige Interviewstudie von Dr. Anja Wilken (UHH). Die Studie fokussiert das Thema Ungewissheit, welches in der Austauschforschung noch immer unterrepräsentiert ist.

Die zugrundeliegende Forschungsfrage lautet: Wie werden mögliche Ungewissheits- oder Fremdheitserfahrungen in einem internationalen Kontext gemacht, verarbeitet bzw. gerahmt?

Analyse und Ergebnis

Die Analyse wird zunächst strukturierend mit der qualitativen Inhaltsanalyse (QIA) (Kuckartz, 2018) ausgewertet. Ausgewählte Episoden werden dann mittels der Dokumentarischen Methode (Bohnsack et al., 2010) analysiert, die ihre Stärke darin hat, das implizite bzw. handlungsleitende Wissen und die Positionierung zu ‚anderen‘ Normen herauszuarbeiten. Für den Umgang mit Ungewissheit stehen daher Textsorte sowie Pausen, Satzabbrüche, Metaphern etc. im Fokus, um das Wie des Gesagten zu rekonstruieren.

Über den Verlauf von drei Kohorten wurden insgesamt 135 leitfadengestütze episodische Interviews (Flick, 2014) mit Studierenden der drei beteiligten Partneruniversitäten geführt: Vor, während und 6-12 Monate nach dem Auslandsaufenthalt. Der Interviewleitfaden beinhaltete narrative Impulse, z. B. “die Geschichte des Austauschs von seinem Beginn bis heute zu erzählen“, Fragen nach konkreten Situationen im Kontext von Ungewissheit, z. B. in denen sich die Studierenden irritiert oder unwohl gefühlt haben und Fragen, die auf (explizite) Reflexion zielen.

In einem ersten Schritt wurden 43 sogenannte “while“-Interviews von je 50-90 Minuten Länge aus zwei Kohorten mit der QIA thematisch erschlossen.

Die kulturelle Ungewissheit oder Irritation schlägt meist zu, wenn man sie am wenigsten erwartet. In Situationen, wo man dachte, dass hier erlebnismäßig nun wirklich alle in einem Boot sitzen. Und zack, ist die Perspektive des Anderen auf einmal diametral entgegengesetzt, fremd, unbehaglich. Jedoch führt nicht jede Irritation gleich zu einem umfassenden Bildungsprozess. Der Habitus ist wie ein riesiges Containerschiff, an dem die Irritation erst einmal abprallt, ohne dass sich der Kurs ändert. Aber ein Kratzer bleibt doch im Lack, vielleicht sogar eine Delle. Genau danach suchen wir in den Interview-Daten. Nach Erzählungen über die Zusammenstöße mit dem Fremden. Und nach Erzählungen, wie die Reise danach weitergegangen ist. Und manchmal sehen wir sogar mehr Veränderung, mehr Kurskorrektur, als den Interviewten selbst bewusst ist.
Prof. Andreas Bonnet, Professor für Fachdidaktik Englisch, Universität Hamburg 

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