eu.daad.de DAADeuroletter 73 Verändert Sichtweisen. Seit 35 Jahren.

DAADeuroletter editorial Erasmus+ ist ein Programm für Herz, Geist und Seele. Es ist die emotionale und intellektuelle Klammer Europas! Erasmus+ als Friedensprogramm ist daher heute wichtiger denn je und durch keine Zeitenwenden zu stoppen. Im Gegenteil: Aktiv unterstützt das Programm durch neue Angebote geflüchtete Studierende sowie Akademikerinnen und Akademiker aus der Ukraine. Und die Nach- frage bei Studierenden in Deutschland ist im Jubiläumsjahr im Vergleich zur Vor-Coro- na-Zeit um 20 Prozent gewachsen. Wir freuen uns, dieses Jahr über 50.000 Mobiltäten zu deutlich verbesserten Förderbedingungen bewilligt haben zu können. Noch nie war mehr Mobilität! Zu all dem finden Sie in unserer Jubiläumsausgabe des DAADeuroletters viele spannende Artikel: Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mobilität kommen ebenso zu Wort wie diejenigen, die das Programm konzipiert und auf den Weg gebracht haben. Wir zeichnen die Geschichte der letzten 35 Jahre in Mobilität und Kooperationsprojek- ten nach und gehen der Genese der berühmten ECTS als Bildungseuro auf den Grund. In der Mitte des Hefts haben wir außerdem auf einem Poster zum Rausnehmen die Geschichte und die Erfolge des Erasmus-Programms für Sie grafisch ansprechend auf den Punkt gebracht. Ich wünsche Ihnen eine angenehme und optimistische Lektüre unseres DAADeuroletters zum 35-jährigen Erasmus-Jubiläum! Ihr Stephan Geifes Direktor der Nationalen Agentur für Erasmus+ Hochschulzusammenarbeit im DAAD

wirkung 28 Budgetaufwuchs und Ratenerhöhung Türöffner in der neuen Programm- generation Weitere rund 10 Mio. Menschen aus allen Bildungssektoren sollen bis 2027 von Erasmus+ profitieren. Möglich machen soll dies auch eine stärkere und umfassendere finanzielle Unterstützung. 30 Sukzessive Einführung der Digitalisierung in Erasmus Seit nunmehr fast 10 Jahren wird die Digitalisierung des Programms voran- getrieben. Insgesamt hat der Prozess dazu geführt, Erasmus über die Jahre hinweg sichtbarer zu machen. 32 Evaluationsstudie zu den Erasmus+ Kooperationsprojekten 2014–2020 Die NA DAAD hat eine umfassende Studie in Auftrag gegeben. Darin wird unter anderem untersucht, welche Wirkungen Erasmus+ Kooperations- projekte an deutschen Hochschulen entfalten. Die zentralen Ergebnisse der Evaluation Grundsätzlich lässt sich den Ergebnissen voranstellen, dass die Studie von einer hohen Komplexität geprägt ist: Diese spiegelt sich einerseits in der Vielfalt der zu untersuchenden Förderlinien wider, die sich in ihrem Charakter teils deutlich voneinander unterscheiden; andererseits zeigt sich dies in der Heterogenität der Evaluationsfragestellungen. Dem entsprechend lassen die Ergebnisse vor allem vielfältige übergreifende Schlüsse zu, die wir im Folgenden vorstellen. 10 2 34 Rückblick auf die Die Programmbeteiligung Programmdimension Die Programmbeteiligung deutscher Hochschulen ist ein wichtiger Gradmesser für die Attraktivität der Förderlinien, lässt aber aus Sicht der NA DAAD auch Rückschlüsse zur Rolle der NA DAAD für eine zielführende Information und Be- ratung der deutschen Hochschulen zu. Die Evaluationsergebnisse sind beachtlich – folgende „Highlights“ haben sich herauskristallisiert: Alle Pädagogischen Hochschulen 88 % der Universitäten 43 % der Fachhochschulen 25 % der Kunst­ und Musikhochschulen 217 teilnehmende Hochschulen mit 1.193 Projekten Beteiligung an 25 % von 4.757 Projekten europaweit Deutschland ist in allen acht Förderlinien unter den Top 7... Budget 2014 – 2020 EU: 2.456.263.884 € DE: 831.582.789 € … und in manchen Förderlinien unter den Top 3 Die wichtigsten Partnerländer sind 1. Spanien 2. Italien 3. Großbritannien Kooperationen mit 113 Ländern 11 Leitaktion 3: 5 Projekte In der kurzen Zeit ihres Bestehens seit 2014 sind im Rahmen der Politikunter- stützung bereits sehr spannende Projekte entwickelt worden. 5 Verant- wortliche berichten. 36 Teilhabe am demokratischen Leben Motiv, Hintergrund und Zielsetzung der Priorität des Erasmus+ Programms Die EU schreibt politischer und zivil- gesellschaftlicher Bildung eine große Bedeutung zu. Der Hochschulbereich soll und kann mit Erasmus+ dazu einen wichtigen Beitrag leisten. 38 Internationaler Austausch hautnah Das Programm «Europa macht Schule» «Europa macht Schule» leistet seit 2006 mithilfe von internationalen Studierenden einen aktiven Beitrag zur Internationalisierung von Hoch- schulen und Schulen. erfahrung 40 Kommunikationsthema «Inklusion» Praxisbeispiele der TH-Köln Die Kommunikation über Möglichkei- ten sozialer Teilhabe in der Mobilität erfordert angepasste Konzepte. Janina Knöll (TH Köln) skizziert Beispiele. 42 Ein Projekt kommt selten allein Die (Weiter-)Entwicklung der internationalen Aktivitäten von Hochschulen mit Erasmus+ Unter- stützung Wie können die Wirkungen eines Erasmus+ Projekts verstärkt oder verschränkt werden? Eine von der NA DAAD in Auftrag gegebene Studie zeigt Optionen und Wege auf. 44 Fokus Tschechien Im zweiten Halbjahr 2022 wird Tsche- chien turnusmäßig den Vorsitz im Rat der EU übernehmen. Im Rahmen unse- rer Serie über NAs blicken wir diesmal auf Dům zahraniční spolupráce. DAADeuroletter spektrum forum 50 Microcredentials an deutschen Hochschulen Ein relevantes Thema – auch für die Internationalisierung Die Diskussion über einen europäi- schen Ansatz für Microcredentials wird intensiv geführt. Um die Sicht- weisen der deutschen Hochschulen zu erheben, hat die NA DAAD eine Umfrage durchgeführt. 52 Neue Broschüre zu den Erasmus+ Kooperationsprojekten In der aktuellen Programmgeneration gibt es im Bereich der Kooperations- projekte nicht weniger als 9 Förder- linien. Eine neue NA-Publikation zeigt die verschiedenen Optionen auf. 53 Ein Zeichen der Solidarität Erasmus+ und der Krieg in der Ukraine Angesichts des russischen Angriffs- kriegs gegen die Ukraine hat die Europäische Kommission auch im Rahmen von Erasmus+ rasch, flexibel und großzügig reagiert. 56 Sie sind für Sie da! Die Erasmus+ Expertinnen und Experten Die Erasmus+ Expertinnen und Exper- ten informieren und beraten deutsche Hochschulen bei der Umsetzung des europäischen Mobilitätsprogramms, nicht zuletzt bei Fragen der Digitali- sierung. 58 Die NA intern Das gegenseitige Sichkennen ist in einer Zusammenarbeit ein Erfolgs- faktor. Deswegen stellen sich Ihnen in dieser Rubrik jeweils einige unserer Kolleginnen und Kollegen vor. 59 impressum Im DAADeuroletter werden überwiegend Kurz-URL mit der IP-Adresse «t1p» verwendet. t1p.de ist ein von Deutschland aus betriebener Dienst, der die Aspekte Datenschutz und Datensicherheit in den Vordergrund stellt. 5

Ein Programm zur Stärkung europäischer Identität Ganze 5 Seiten umfasst der Beschluss des Rates vom 15. Juni 1987 über ein gemeinschaftliches Aktionspro- gramm zur Förderung der Mobilität von Hochschul- studierenden (ERASMUS). Ebenso viele Ziele wurden im nach langen, intensiven Diskussionen unter den 12 Mitgliedsländern der damaligen Europäischen Gemein- schaften verabschiedeten Programm definiert. So sollten möglichst viele Studierende «einen integrierten Studien- aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat absolvier- [en]», damit «die Gemeinschaft auf einen ausreichenden Bestand an Arbeitskräften zurückgreifen kann, die das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben anderer Mit- gliedstaaten unmittelbar kennengelernt haben». Zudem sollte mithilfe von ERASMUS die Kooperation zwischen Hochschulen intensiviert und «das Zusam- menwirken der Bürger der einzelnen Staaten mit dem Ziel» gestärkt werden, «den Begriff eines Europas der Bürger zu festigen». Schließlich – und das war das letzte der 5 Ziele – sollte das Programm einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass es in der Gemeinschaft Hoch- schulabsolventinnen und -absolventen gibt, «die unmit- telbare Erfahrungen bei der innergemeinschaftlichen Zusammenarbeit haben, um dadurch die Grundlage zu schaffen, auf der sich eine intensivere Zusammenarbeit auf Gemeinschaftsebene im wirtschaftlichen und im so- zialen Bereich entwickeln kann.»1 DAADeuroletter top Ein Festhalten an grundlegenden Zielen In den folgenden Jahren weitete die Europäische Kom- mission mit jeder neuen Programmgeneration die Schwerpunktsetzungen, Formulierungen und die Anzahl der Ziele von Erasmus aus. Meist geschah dies entspre- chend den aktuellen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen und sich daraus ergebenden übergeordneten Plänen und Vorhaben. So gewannen beispielsweise wirtschaftliche Aspekte nach der Jahrtau- sendwende zunehmend an Bedeutung.2 Dabei hielt die Kommission gleichzeitig aber – mal mehr, mal weniger explizit – im Wesentlichen an den im Beschluss von Juni 1987 erklärten grundlegenden Zielvorstellungen fest: ERASMUS sollte bei allem einen Beitrag zum europäi- schen Zusammenhalt und zur Herausbildung einer euro- päischen Identität leisten. Deutlich wird das in der (im Übrigen mittlerweile auf 33 Seiten angewachsenen) Verordnung zur Einrichtung der aktuellen Programmphase 2021–2027. «Allgemeines Ziel […] ist es», so heißt es ausdrücklich in Artikel 3, «die bildungsbezogene, berufliche und persönliche Entwick- lung von Menschen in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport im Rahmen des lebenslangen Lernens in Europa und darüber hinaus zu unterstützen und so zu nachhaltigem Wachstum, hoch- wertiger Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt, zur Anregung von Innovationen und zur Stärkung der europäischen Identität und des bürgerschaftlichen Enga- → gements beizutragen.»3 1 Beschluss des Rates vom 15. Juni 1987 über ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Förderung der Mobilität von Hochschulstudenten (ERASMUS), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 25.06.1987, Nr. L 166/21–22, online verfügbar unter https://t1p.de/yrp1m [09.05.2022]. 2 Siehe dazu Benjamin Gehring, Homo Erasmus. Europäisierungsprozesse von deutschen Austauschstudierenden im EU-Erasmus-Programm. Unveröffentlichte Dissertation, Eberhard Karls Universität Tübingen, 2021, S. 41–46. 3 Verordnung (EU) 2021/817 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Einrichtung von Erasmus+, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013, Amtsblatt der Europäischen Union, 28.05.2021, L 189/15, online verfügbar unter https://t1p.de/ngvom [10.05.2022]. 7

DAADeuroletter top Förderlinien (zum Beispiel Blended Intensive Program- mes, Ausbau der Mobilitätsoptionen im Schulbereich) eingerichtet und finanzielle Aufstockungen (top-ups) für weitere Zielgruppen eingeführt, um Hürden abzubauen und bislang unter- und nicht repräsentierten Gruppen die Chance auf eine Teilhabe an Erasmus+ zu eröffnen. So soll insgesamt die Zahl jener steigen, die vom Vor- zeigeprogramm der Europäischen Union im Bildungs- bereich profitieren – und damit schlussendlich die Zahl jener, die sich mit Europa und seinen Werten und Idea- len identifizieren. In Zeiten aggressiven, militaristischen Nationalismus, eines an den EU-Außengrenzen wütenden Kriegs mit weitreichenden Folgen für die Europäische Union selbst und der Verachtung für Demokratie, Wahr- heit und Freiheit scheint das wichtiger denn je. n Erasmus ist «ein Programm der Toleranz und Akzeptanz, der Verständigung und des Ver- stehens, der Freundschaft und der Liebe. Es ist vielleicht das Programm, das das Konzept ‹EU› am sinnbildhaftesten verkörpert. Ein wahrlich europäisches Programm!» Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments von 2012 bis 20177 Untersuchungen und Erhebungen zur Wirksamkeit von Erasmus+ Nationale Agentur für Erasmus+ Hochschulzusammenarbeit - Interkulturelle Kompetenz und Werteorientierung durch Individualmobilität und Erasmus+ Projekte. Teilstudie 1: Außercurri- culare Bildungseffekte von Auslandsaufenthalten (DAAD-Wirkungsstudie). Bonn 2018, 54 S., https://t1p.de/x6lon Interkulturelle Kompetenz und Werteorientierung durch Individualmobilität und Erasmus+ Projekte. Teilstudie 2: Nutzung der Partnerschaften und Kooperationsprojekte in Erasmus+ (DAAD-Wirkungsstudie). Bonn 2018, 40 S., https://t1p.de/1b55k - Europäische Kommission - Erasmus+ Higher Education Impact Study. Final Report. Brüssel 2019, 354 S., https://t1p.de/t6lw - Study on the impact of Erasmus+ Higher Education Partnerships and Knowledge Alliances at local, national and European levels on key Higher Education policy priorities. Final report. Brüssel 2019, S. 135, https://t1p.de/32klg European Student Network - Creating Ideas, Opportunities and Identity: Research Report of the ESNSurvey 2013. Brüssel 2013, 70 S., https://issuu.com/esnint/docs/esnsurvey2013_web - ESNsurvey 2019: Active citizenship and student exchange in light of the European elections. Brüssel 2019, 70 S., https://issuu.com/esnint/docs/esnsurvey_2019 7 Schulz, Grußworte, in: Europa in Bewegung – das europäische Bildungsprogramm ERASMUS feiert sein 30-jähriges Jubiläum, hrsg. von Hanns Sylvester. Bonn 2017, S. 6. 9

DAADeuroletter top besondere Förderung für Studierende mit Behinde- rung im Rahmen von Erasmus Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Slowenien werden als assoziierte Partner in Erasmus aufgenommen 1 9 9 5 1 9 9 6 1 9 9 8 1 9 9 9 Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Ungarn und Zypern nehmen an Erasmus teil Europäisches Parlament und Europarat verabschieden Sokrates I Finnland, Österreich und Schweden treten der EU bei; Schengener Übereinkommen: grenzfreier Reiseverkehr zunächst zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Nie- derlanden, Portugal und Spanien Diese «Joint Programmes» wurden von der Europäischen Kommission gefördert und widmeten sich originär euro- päischen Themen, der Sprachenlehre oder sozialen Fra- gen, die über Nationalgrenzen hinaus Relevanz besaßen. Mit ihnen erhielt Bildung supranationale Bedeutung. Erstmals arbeiteten Universitäten über Nationalgrenzen hinweg auf institutionellem Weg zusammen. Identifikationsproblem Europa: «People’s Europe» und Adonnino-Report Die Universitäten nahmen die «Joint Programmes» en- thusiastisch auf und bauten sie aus, während die Kom- mission eher – ganz im wirtschaftlichen Nutzen den- kend – die berufliche (Aus-)Bildung im Blick hatte. Zum Siegeszug der gemeinsamen Bildungsprogramme verhalf jedoch eine ganz andere Problematik: Nach der wirt- schaftlichen Stagnation der 1970er-Jahre hatten die Euro- päischen Gemeinschaften und das «Projekt Europa» ein massives Imageproblem: Die Bevölkerungen konnten mit dem Wirtschaftskonstrukt Europa nichts anfangen, was sich in der für damalige Verhältnisse äußert schlech- ten Wahlbeteiligung von 61 Prozent bei den Europawah- len 1984 niederschlug. Europa musste greifbarer, erfahrbarer werden. Unter der Leitung des italienischen Europaparlamentariers Pietro Adonnino ließ die Kommission deshalb eine Vielzahl an Identifikationsmaßnahmen erarbeiten, woraus die heute allseits akzeptierten Symbole wie Europaflagge und -hymne sowie die vereinheitlichten nationalen Reisepäs- se entstanden. Zudem wurde ein gemeinsames umfas- sendes Bildungsprogramm entwickelt. Plötzlich stand nicht mehr die Wirtschaft als Motor der Gemeinschaften im Fokus, sondern Bildung und Kultur. → 11

DAADeuroletter top britischer Volksentscheid endet mit einer Mehrheit für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Brexit) Serbien wird als vorerst letztes Programmland in Erasmus+ aufgenommen Die neue EU-Kommission möchte mit dem europäischen Grünen Deal Europa bis 2050 klimaneutral machen Das Erasmus-Programm feiert sein 35-jähriges Bestehen 2 0 1 6 2 0 1 7 2 0 1 9 2 0 2 1 2 0 2 2 In einer Rede an der Sorbonne schlägt der französische Staatspräsident Emmanuel Macron die Schaffung Europäischer Hochschulen vor Mit dem Vereinigten Königreich verlässt ein Gründungsmitglied von Erasmus das Programm; Start der neuen Programmgene- ration von Erasmus+ dass weitere Generationen unter wechselnden Namen aufgelegt wurden, jeweils mit höherem Budget und grö- ßeren Zielen, um so viele Studierende wie möglich teil- haben lassen zu können. Ein Blick auf ein paar Zahlen verdeutlicht, was für eine Erfolgsgeschichte Erasmus tatsächlich ist. Am 1. Juli 1987 startete es als «kleines Programm» mit einem Budget von umgerechnet 85 Mio. Euro für die Zeit bis 1992. Ge- rade einmal 398 Studierende nahmen im akademischen Jahr 1987/1988 daran teil. In der 2021 angelaufenen neu- en Programmgeneration – der mittlerweile siebten – be- läuft sich der Gesamtetat auf rund 28,4 Mrd. Euro. Und aus den wenigen Hunderten sind viele Millionen gewor- den: Bis 2021 haben über 12 Mio. Menschen aller Alters- gruppen und aus verschiedenen Bildungsbereichen von Erasmus+ und den diversen Vorläuferprogrammen pro- fitiert. In der neuen Programmphase (2021–2027) sollen es allein rund 10 Mio. sein. Erasmus als Austauschprogramm schlechthin «Seht her, hier funktioniert Europa!», hört man Funk- tionärinnen und Funktionäre immer wieder sagen, und tatsächlich schafft Erasmus eine bleibende Identifikation mit der Union. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer europäisieren sich durch das Programm, erleben EUro- pa – wenngleich dies mitunter in der berühmten «Eras- musblase» geschieht denn im Kontakt zu Menschen des Gastlandes. Und auch die teilnehmenden Hochschulen europäisieren sich mit ihren Studierenden, indem Struk- turen geschaffen werden, um diese Aufenthalte möglich zu machen – seien es Mobilitätsfenster in den Studien- curricula, englischsprachige Lehrveranstaltungen oder Erasmuspartys. Selbst wenn das Programm vor mancher neuen admi- nistrativen Hürde steht, es bleibt der nicht zu gering zu schätzende Wert des Programms: Hier kommen junge Europäerinnen und Europäer zusammen und gehen den Pfad der ursprünglichen Idee, nämlich EUropa gemein- sam zu leben, zu erleben, und damit miteinander die europäische Zukunft zu bauen. n Der Autor ist Joint Director des Akademischen Auslandsamts der Universität Hohenheim. 2022 erscheint seine an der Eberhard Karls Universität Tübingen vorgelegte Dissertation «Homo Erasmus – Europäisierungsprozesse von deutschen Austauschstudierenden im EU-Erasmus-Programm». 13

h. 10 Einblicke aus 35 Jahren Zusammenstellung: Marcus Klein und 2022 mit Erasmus+ verband oder verbindet: als Organisierende, Lehrende und Studierende. «[ ] ich vorrangig, mein Leben ohne Unterstützung Dritter – insbesondere meiner Eltern – zu organisieren. Mit meinem Aufenthalt in London ist die indirekte Aussage verbunden, «trotz schwerer körperlicher Behinderung konnte die Person im Ausland studieren». Ich erwartete mich in der englischen Sprache zu verbessern, tatsächlich lernte Dr. Stephanie Claire Weckesser studierte von September 1996 bis August 1997 Rechtswissenschaft am Queen Mary and Westfield College, University of London. Sie ist Unternehmensjuristin in einem Immobilienkonzern. Da ich kurz vor dem Staatsexamen stand, war es für mich besonders wichtig, Christa Stalder war von September 1999 bis Mai 2000 an der National University of Ireland, Maynooth. Sie ist Realschullehrerin in Mainburg/Bayern. Ich habe vor allem gelernt, dass zur Sicht auf andere Kulturen auch eine Reflexion der eigenen Kultur gehört. Als Deutscher mit Migrationshintergrund war mir meine Verwurzelung in der deutschen Kultur nie so bewusst wie im Ausland. Gleichzeitig wurde mir deutlich, dass bei allen Unterschieden doch die Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen überwiegen. in Irland neben Englisch auch meine zweite Fremdsprache weiterhin zu studieren. So wur- de ich zur «Exotin», die als Deutsche Französisch studierte … Das war manchmal hart. Dadurch habe ich aber gelernt, sehr schnell von einer Sprache in eine andere «umzuschalten». « [ ] « [ ] « [ ] « [ ] Das Konsortium unseres mittlerweile über 10 Jahre laufenden Studiengangs besteht aus 9 Partnern. Wir haben nicht nur einen innereuropäischen, sondern auch Nord-Süd- und Süd-Süd-Diskurse. Durch die Studierenden aus bisher 62 Ländern wird das dann global – und ist verbunden mit der Einsicht, dass die großen Gegenwartsfragen das ebenfalls sind. Das Semester während der COVID-19-Pandemie hat mich gelehrt, Möglichkeiten wahrzu- nehmen, Herausforderungen nicht zu scheuen und im Allgemeinen offener für alles Neue zu sein und mir dieses auch zuzutrauen. Seitdem ich zurück in Deutschland bin, beteilige ich Dr. Moritz Botts war von September 2005 bis Februar 2006 als Erasmus-Student an der Wirtschaftsuniversität Poznan in Polen. Aktuell ist er DAAD-Langzeitdozent im Fach Marketing an der Türkisch-Deutschen Universi- tät in Istanbul. Dr. Lydia Potts lehrt an der Universität Oldenburg in den Bereichen Migrations- und Genderstudien und koor- diniert seit 2010 den Erasmus-Mundus-Masterstudiengang «Migration and Intercultural Relations» (EMMIR). mich daher aktiv am Campus-Leben meiner Universität, beispielsweise in der LEI. Helena Böhmer war im Wintersemester 2021/2022 am University College Cork Irland (UCC) Erasmus-Aus- tauschstudentin. Sie studiert an der Philipps-Universität Marburg. 15

DAADeuroletter top ber 35 Jahre Erasmus+ 2014 sind alle Programme der EU unter dem Dach von Eras- mus+ zusammengeführt worden. Hat das die Wahrnehmbar- keit der verschiedenen Bildungsbereiche eher gestärkt oder geschwächt? Fahle: Die Zusammenführung der Programme war ein ge- nialer Schachzug und ein schönes Beispiel, wie zwei gute Impulse etwas noch Besseres schaffen. Die EU-Kommis- sion hatte ja ursprünglich «Erasmus für alle» vorgeschlagen und damit richtigerweise auf die Ausstrahlung von Erasmus gesetzt. Dies hatte aber einen negativen Beigeschmack, als hätte es nicht auch zuvor in den Programmen Leonardo da Vinci, Comenius und Grundtvig Vergleichbares gegeben. Das Europäische Parlament hat dies verstanden und das «Plus» eingebracht. So ist Erasmus+ eine starke Marke geworden, von der alle profitieren. Spielkamp: Im Schulbereich haben wir uns schwergetan, den Namen Comenius aufzugeben. Im Nachhinein aber war die Zusammenführung aller Bildungsbereiche unter der Mar- ke Erasmus+ richtig: Kein anderes Förderprogramm in Europa ist bekannter und positiver besetzt. Und nie hätte es die finanziellen Zuwächse für die laufende Programmgeneration gegeben. Wicke: Durch die Zusammenführung ist die öffentliche und politische Wahrnehmung des Jugendbereichs zweifelsohne gestiegen. Positiv ist auch die erhebliche Steigerung an För- dermitteln. Aufgrund von allgemeingültigeren Regeln lassen sich die Jugendprogramme jedoch nur mühsam jugendspezi- fisch umsetzen. Die Ansprache unserer Zielgruppen ist damit schwieriger geworden. Geifes: Dem Hochschulbereich ist die Änderung leichter ge- fallen, denn das Akronym ERASMUS begleitet uns bereits von Anfang an. Wir empfinden die Bündelung der verschiedenen Hochschulprogramme unter einem Namen dennoch als einen Gewinn. Zugleich wird das «Plus» immer auch als Zeichen für neue Möglichkeiten der Kooperation wahrgenommen, etwa bei der internationalen Öffnung 2014 und der Ausweitung 2021. In allen Programmgenerationen spielte die Idee einer euro- päischen Bürgerschaft eine wichtige Rolle. Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen lässt jedoch Zweifel aufkommen, wie es um diese Idee steht. Was heißt das für die Zukunft des Erasmus-Programms? Geifes: Europa durch Austausch und das Eintauchen in die Kultur des Gastlandes zu erfahren, bleibt für mich der Kern des Programms. Dies hat engagierte EU-Bürgerinnen und -Bürger zu Gestaltern unserer Zukunft gemacht und wird das weiterhin tun. Dazu tragen auch Programme bei, in denen sich Erasmus-Studierende engagieren, wie die Lokalen Eras- mus Initiativen und die Initiative «Europa macht Schule». Wicke: Europäischen Bürgersinn erreicht man nicht einfach damit, dass die Zahl junger Menschen, die an Maßnahmen grenzüberschreitender Lernmobilität teilnehmen, gesteigert wird. Darum war und ist es richtig, Formate zu entwickeln, die neben der Mobilität sowohl die Zusammenarbeit als auch das gemeinsame Engagement in den Vordergrund stellen. Mehr denn je gilt es, das Feld der Jugendarbeit und Jugendpolitik in Europa gemeinsam zu gestalten und mit europäischen Im- pulsen zu bereichern. Spielkamp: Der Begriff «europäische Bürgerschaft» ist ein abstrakter Begriff, den Erasmus+ in der Praxis sehr gut ein- löst. Die Menschen, die in solchen Projekten zusammenge- arbeitet haben, verstehen sich tatsächlich als Bürgerinnen und Bürger Europas. Die aktuelle Entwicklung zeigt allerdings auch, dass dieses Bewusstsein von jeder Generation neu entwickelt werden muss. Eine verlässliche finanzielle Aus- stattung der Nachfolgeprogramme sollte deshalb dauerhaft sichergestellt sein. Fahle: Die europäischen Bildungsprogramme und Erasmus+ waren immer beides: Programme für europäische Zusammen- halt und europäische Werte – und Programme, die gezielt die Qualität von Bildung verbessern sollen. In der jüngsten Vergangenheit sehen wir, dass es in Europa viele zentrifuga- le Kräfte gibt, da spielt Erasmus+ eine andere Rolle und die Förderung des europäischen Zusammenhalts wird wichtiger. Gerade für Letzteres brauchen wir einen quantitativen Aus- bau des Programms. n 17

DAADeuroletter top Heike Frings auf einem Foto von 2014. Sie verantwortet heute das interne Audit der NA. Sichtweisen. Immer aufregend waren zudem externe Prüfun- gen, die entweder durch die EU-Kommission selbst oder zum Beispiel den Europäischen Rechnungshof durchgeführt wur- den. Diese Audits haben wir so erfolgreich absolviert, dass wir fortwährend als NA nominiert wurden, und heute noch als diese fungieren. Bei der nun fast verzehnfachten Zahl der Mitarbeiten- den in der Agentur seit Beginn meiner Tätigkeit für Erasmus waren Umstrukturierungen stets ein Thema. So wurden erst mit neuen Förderlinien neue Bereichsleitungen etabliert, die dann später Referatsleiter wurden, und schließlich waren wir eine Gruppe in der Programmabteilung Nord. Heute sind es fünf Referate in der EU-Abteilung. Mit steigenden finanziellen Mitteln und zu bearbeitenden Förderlinien sind wir von einer Arbeitsstelle zur Abteilung gewachsen. Wenn Sie heute ein Job-Shadowing bei einer anderen NA durchführen könnten, welches Zielland würde Sie aktuell am meisten interessieren? Frings: Das wären Spanien und die spanische Agentur. Die Austauschzahlen waren teilweise höher als die Outgoings aus Deutschland, und so würde ich gerne lernen, wie dort Prozes- se ablaufen, die Programmarbeit umgesetzt wird und ob es aufgrund des Bildungssystems eher Anreize gibt ins Ausland zu gehen. Die Wahl würde also auf diese große NA fallen, um hieraus Erfahrungen für die eigene Arbeit zu ziehen. n 19 Sie waren anfänglich eine Gruppe von 9 Personen. In den vergangenen 30 Jahren ist das Team in der NA DAAD dann auf knapp 90 Kolleginnen und Kollegen angewachsen, die den mittlerweile globalen Austausch im Hochschulbereich organisieren. Was waren für Sie die spannendsten Etappen auf diesem Weg? Frings: Mein Hauptmetier waren immer die Finanzen, und so war es sicherlich ein spannender Schritt, Mechanismen zur Mittelumverteilung zu erarbeiten, damit möglichst wenig Restgelder an die EU-Kommission zurückgegeben werden mussten und die Hochschulen die Gelder noch an die Stu- dierenden zahlen konnten. Ebenfalls war in jedem Jahr die Berechnung der Budgets für die Hochschulen ein Meilenstein bei der Programmarbeit. Mit jeder neuen Programmgenera- tion ging darüber hinaus ergänzend die Einführung neuer IT-Tools einher, die wie bei vielen neuen EDV-Programmen die üblichen Startschwierigkeiten hatten. Diese Zeiten waren nicht wirklich spannend, wohl aber häufig nervenzerrend und aufreibend. Tatsächlich spannend wurde es, wenn neue Teilnahme- länder hinzukamen. Das bedeutete das Kennenlernen neuer Kolleginnen und Kollegen aus den jeweiligen Agenturen und damit erneut eine Perspektiverweiterung aufgrund anderer

DAADeuroletter top Zeitgleich begann die Diskussion über die Verwendung von ECTS-Instrumenten für das lebenslange Lernen. Ab 1999 wurden im Rahmen eines Projekts Möglichkeiten untersucht, Ansätze des ECT-Systems auf alle Bereiche des lebenslangen Lernens zu übertragen. Dabei rückte die Konzentration auf Lernergebnisse in den Fokus. Die- ser qualitätsbezogene Ansatz wurde durch das Entstehen europäischer und nationaler Qualifikationsrahmen zu- sätzlich gestärkt. Rechtlich wird die Anerkennung durch die «Lissabon-Konvention» geregelt, die inzwischen in 54 Ländern weltweit ratifiziert wurde. → Von Anfang an wurde ECTS als Mittel zur Erleichte- rung und Erhöhung von Mobilität durch vereinfachte Anerkennung gesehen. Inzwischen steht das Akronym für «European Credit Transfer and Accumulation Sys- tem», das heißt, die Instrumente können auch für die Sammlung von Studienleistungen an einer einzigen Hochschule, für nationale Mobilität oder bildungsbe- reichsübergreifend eingesetzt werden. Im Kontext des Bologna-Prozesses erhielt ECTS im Hochschulbereich durch die Umstellung auf gestufte Studiengänge und die damit einhergehende Modularisierung einen weiteren Schub. In anderen Regionen (zum Beispiel Lateinamerika oder Asien) entstanden ver- gleichbare Initiativen. Die Gemeinschaft wird […] die nachstehenden Maßnahmen mit dem Ziel ergreifen, die Mobilität durch akademische Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Diplome bzw. abgeleisteten Studien- zeiten zu verbessern: 1. Maßnahmen zur versuchsweisen Förderung eines europäischen Sys- tems zur Anrechnung von Studienleistung (European Community Course Credit Transfer System — ECTS) auf freiwilliger Basis, um Studenten, die im Rahmen ihrer theoretischen und praktischen Ausbildung in einem an- deren Mitgliedstaat studieren, die Möglichkeit zu bieten, an Hochschulen in anderen Mitgliedstaaten erbrachte Studienleistungen auf ihr Studium angerechnet zu erhalten. Eine begrenzte Anzahl von Zuschüssen in Höhe von 20 000 ECU pro Jahr wird an die am Pilotsystem teilnehmenden Hochschulen vergeben. Beschluss des Rates vom 14. Dezember 1989 zur Änderung des Beschlus- ses 87/327/EWG über ein gemeinschaftliches Aktionsprogramm zur Förderung der Mobilität von Hochschulstudenten (ERASMUS) (89/663/ EWG), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 395/23, online verfügbar unter https://t1p.de/pczs9 [16.05.2022] 21

DAADeuroletter top ECTS und Erasmus: Erinnerungen eines Experten (Volker Gehmlich) Besonders in den späteren 1980er-Jahren schufen die damaligen Europäischen Gemeinschaften infrastrukturelle und finanzielle Voraussetzungen, um die bis dahin zum Beispiel in den «Gemeinsamen Studienprogrammen» ge- wonnenen Erkenntnisse zur Förderung der akademischen Mobilität unter ihren Mitgliedern zu nutzen. Ein wesentli- cher Baustein war dazu die Einrichtung von programmspe- zifischen Büros, die administrativ an Non-Profit-Organisa- tionen ausgelagert wurden. Diese Einheiten wurden auch zu Arbeitsstellen, in denen Hochschulexperten Modelle zur Weiterentwicklung der Programme unter der politi- schen Verantwortung der EG entwickelten. Beispielhaft ist die Einrichtung des ERASMUS-Bureaus, in dem daran gearbeitet wurde, Möglichkeiten aufzuzeigen, die Studie- rendenmobilität unter anderem durch ein «Credit-System» zu erhöhen. Dazu analysierte Fritz Dalichow im von Alan Smith ge- leiteten ERASMUS-Bureau weltweit bestehende Systeme. Gleichzeitig trafen sich Mitarbeitende verschiedener Büros häufig zu einem informellen Austausch in einer «typisch deutschen Bierkneipe» unweit der Kommission. Im Laufe dieser langen Abende wuchs die Erkenntnis, dass ein all- gemeingültiges, anerkanntes System auf gegenseitigem Vertrauen basieren musste. Als weiterer Kernpunkt, der zunächst fassbarer erschien, entwickelte sich die Defini- tion von «Credits», wie viele erreichbar waren und wie sie ermittelt wurden. Die Runde einigte sich: Grundlage ist unser Zeitsystem. Eine Stunde hat 60 Minuten etc. Über- setzt hieß dies: Ein erfolgreicher Zeitabschnitt umfasst 60 Credits. Als Zeitabschnitt wurde ein Jahr gewählt, wobei dieser Kernpunkt durchaus umstritten war: Umfasst eine Vorlesung 1 Credit für 60 oder für 45 Minuten (mit allen Zwischenformen und Verständnisschwierigkeiten)? Wich- tige Elemente von ECTS, wenn auch sicherlich nicht alle, wurden also nicht top down von der Kommission oder anderen politischen Entscheidungsträgern auf- gepfropft, sondern entstanden – ganz im Gegenteil – auf dem grassroots level. Das 1988 gestartete ECTS-Pilotprojekt wurde zum offiziel- len Forum, um die ECTS Key Features auszuarbeiten. Die dann etablierte Runde der ECTS-Counsellors verfestigte die Vorstellungen. In zahlreichen formellen und informel- len Treffen entstand schließlich eine Vorlage, die weiter- entwickelt und letztlich von der European University Asso- ciation (EUA) als Grundlagenpapier übernommen wurde. Auf den Sitzungen in Graz und Zürich 2002 wurde hieraus der von der EU-Kommission 2005 herausgegebene «ECTS Usersʼ Guide». Im Laufe der Jahre ging es nicht mehr ausschließlich um die Übertragbarkeit von Studienleistungen, sondern ECTS wurde zu einem Transparenzinstrument und seine adäqua- te Nutzung zu einem Maßstab für Qualität. Heute wird nicht mehr ausschließlich dokumentiert, welchen Zeitauf- wand Studierende durchschnittlich für eine spezifische Lerneinheit einkalkulieren müssen, sondern auch, welche Kenntnisse und Fähigkeiten sie dadurch erworben haben. Die mit Lehr- und Lerninhalten verbundenen Kenntnisse und Fähigkeiten können nur aus den Lernergebnissen entnommen werden, und nicht aus dem Zeitaufwand. Für die berechtigten Forderungen aus allen Lebensbereichen müssen zukunftsfähige systembezogene Lösungen er- arbeitet werden. Was ist nun aus diesen vielen Überlegungen, Anregun- gen, Erfahrungen, aus den key features geworden? Ganz einfach: Sie sind nach wie vor die Grundlage des ECT-Sys- tems, aber im Laufe der Zeit den Entwicklungen eines Qualitätssystems angepasst worden, und zwar im Sinne der Erkenntnisse des constructive alignment. n Volker Gehmlich gilt als einer der Paten des ECTS. Er war Professor im Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Osnabrück und arbeitete unter anderem im Brüsseler ERASMUS-Bureau der Europäischen Kommission. Er ist noch immer in verschiedenen europäischen Projekten als Experte und Berater tätig. 23

DAADeuroletter top Immer im Blickfeld Im Jubiläumsjahr 2022 bringen die 4 deutschen Nationalen Agenturen für Erasmus+ (NA DAAD, NA beim BIBB, KMK PAD, FJE) das Programm buchstäblich auf die Schienen. Ab Juli fährt die Erasmus+ Straßenbahn zwischen Bonn und Köln Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Studierende, Hochschulpersonal, Lehrende sowie Berufstätige an die Schulen, Unis sowie Aus- bildungsstätten und Arbeitsplätze. Sie alle können mit Erasmus+ von Zuhause aus ihre tägliche Reise nachhaltig beginnen, ihr Leben bereichern und somit ihren Horizont erweitern. Gute Fahrt! Herausragende Würdigung Am 1. Juli 2022 erscheint zum 35-jährigen Erasmus- Jubiläum im gesamten Euroraum eine 2-Euro-Ge- denkmünze. Dabei handelt es sich erst um die 5. Münze aller Euro-Teilnehmerländer mit gemeinsamem Motiv. Die anderen Mün- zen erschienen 2007 (50 Jahre Römische Verträge), 2009 (10 Jahre Wirtschafts- und Währungsunion), 2012 (10 Jahre Euro-Bar- geld) und 2015 (30 Jahre Europa-Flagge). Das Motiv der Bildseite wurde von Bürge- rinnen und Bürgern der Europäischen Union gemäß einem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Verfahren in einer Internet-Ab- stimmung ausgewählt. Es «zeigt eine Mischung aus zwei Hauptelementen des Erasmus-Programms: der ursprüng- lichen intellektuellen Inspiration, Erasmus selbst, und der Allegorie seines Einflusses auf Europa.» Das erste Element zeigt eine bekannte Darstellung von Erasmus von Rotterdam (um 1466–1536), während das zweite «durch einen Strahl von Verbindungen, die von einem Leuchtfeuer zum anderen über die Münze gehen und den zahlreichen intellektuellen und menschlichen Austausch zwischen den europäischen Studentinnen und Studenten darstellen», symbolisiert wird. «In Bezug auf Europa bilden einige dieser Verbindungen Sterne, die aus den Synergien zwischen den Ländern hervorgehen. Die Jubiläumszahl 35 kommt in einem zeitgemäßen grafischen Stil aus den Sternen hervor.» Abgesehen von beispielswiese der Anordnung und der Schreibweise des Ländernamens sowie des Ausgabeanlasses unterscheiden sich die Münzen in den einzelnen Euro-Mit- gliedstaaten nicht weiter. Auch sonst sind sie identisch mit normalen 2-Euro-Münzen und gelten als reguläres Zahlungs- mittel im gesamten Euroraum. Quellen: Bundesministerium der Finanzen (https://t1p.de/ im1xv), Bundesbank (https://t1p.de/7hdxn) n 25

DAADeuroletter der gastkommentar 2014 wagtest Du dann den Rück- blick und riefst die allererste Erasmus Impact Study ins Leben. Und wo ich Dir bisher nur – am Mantelsaum festhal- tend – durch Dein turbulentes Leben folgte, riefst Du mich auf, hinter Dich zu schauen und zu sagen, ob denn die ver- sprochenen Früchte produziert worden seien. 80.000 Erasmus-«Kinder» und Hunderte Hochschulen später konnten wir bestätigen: Du bist nicht perfekt, aber Du hast viel erreicht: Wer kann schon sagen, dass ein Drittel der Kinder, die ein Praktikum machen, einen Job an- geboten bekommen; dass sie signifikant häufiger Leitungsfunktionen einnehmen, im Ausland leben, ausländische Lebens- partnerinnen oder -partner haben; und vor allem: dass man wahrscheinlich ein offenerer, toleranter und anpassungs- fähigerer Mensch wird, wenn man aus dem «Hause Erasmus» kommt? 35 Jahre später – im Jahre 2022 – hast Du inzwischen mehr als 1 Mio. Kinder in Deutschland und 12 Mio. in Europa. Du hättest statistisch 2016 sogar den Brexit verhindern können, wie ich mal im Guar- dian vorrechnete. Du bist nun gerade am Anfang der nächsten 7-Jahresperiode und stehst voll im Leben, alle kennen Dich, Du dienst als Vorbild für andere Programme weltweit. Alles gut, oder? Na ja, die bisher 2 COVID-Jahre waren hart und die Bedenken, dass niemand ins Ausland ginge, groß? Hm, Du hast Dich aber als erstaunlich widerstandsfä- hig erwiesen, denn die meisten Studie- renden sind ins Ausland gegangen, trotz der Pandemie, dank Deiner starken Strukturen und der guten Zusammen- arbeit von Hochschulen, Nationalen Agenturen, ESN und Teilnehmenden. 2021 hast Du Deine Ziele erneut ge- schärft: > Inklusion und Diversität, damit nicht alle die gleichen Chancen haben, sondern die gleichen Ziele erreichen können > Umwelt und Bekämpfung des Klima- wandels, damit eben auch die zu- künftigen Erasmus-Generationen noch diesen einen Planeten bewohnen können > digitaler Wandel, damit die ersten beiden Ziele unterstützt werden und Technik zum besten Nutzen aller ein- gebracht werden kann > Teilhabe am demokratischen Leben, die uns erst die anderen Ziele errei- chen lässt Dies kannst Du nun mit mehr als doppelt so hohem Etat (rund 28,4 Mrd. Euro) angehen. In den letzten Jahren siehst Du mit einiger Besorgnis, dass die Zahlen nicht mehr so wachsen wie früher (die rausge- hen wollen, tun dies schon). Das heißt, Du musst neue Zielgruppen erreichen (die denken, es lohne sich nicht). Aber Du wirst das schaffen, nicht zuletzt dank der höheren monatlichen Raten von bis zu 850 Euro und mithilfe der Erasmus-Studierenden, die Dich bald in «Europa macht Schule» in die Klassen- (t)räume der nächsten Generationen tragen werden. Was wird denn die Zukunft nach 2027 für Dich bringen? Zunächst sinkende Gebur- tenraten und höhere Lebenserwartung. Du wirst den doppelten Lebenszyklus er- fahren: Neben den jungen Studierenden wirst Du eine Studierendengeneration ins Ausland senden, die in ihrem 5. und 6. Lebensjahrzehnt sein wird, mit ande- ren Erwartungen und Problemen. Beide werden mit-, aber auch nebeneinander existieren. Neue Konzepte müssen her, eventuell sogar Parallelwelten geschaf- fen werden. Irgendwann werden sich unsere Wege trennen, wie es bei Lebensabschnittsbe- gleitungen halt der Fall ist. Wenn ich die Radieschen von unten betrachte, wirst Du weiter zarte Pflanzen säen. Es war schön, Dir ein Stück auf Deinem Weg ge- folgt zu sein. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Erasmus. Weiter so! ■ 27

Durch die Erweiterung des Erasmus-Portfolios können absehbar mehr Menschen und Akteure am Programm teilnehmen. Mit einer Budgetverdopplung für das ge- samte Programm für alle Bildungsbereiche haben die EU und ihre Mitgliedstaaten Ende 2020 hierfür die Grund- lage geschaffen. Im Fokus der Förderaktivitäten stehen Inklusion und soziale Teilhabe, Digitalisierung, Nachhal- tigkeit und bürgerschaftliches Engagement. Ratenerhöhung und Ausweitung von Zuschüssen Nach dem ersten Jahr der neuen Generation – einem Übergangsjahr, das zudem erheblich von der Coronapan- demie betroffen war – erlaubt das Budget im zweiten Jahr (Aufruf 2022) eine spürbare Anhebung der Basis- fördersätze für Studierende auf das europaweit höchst- mögliche Niveau. Darüber hinaus hat es die NA DAAD zusammen mit der EU-Kommission, dem BMBF und weiteren Akteuren erstmals möglich gemacht, Mittel aus dem Europäischen Sozialfond Plus (ESF Plus) auf die Mobilität im Hochschulbereich zu übertragen. Knapp 60 Mio. Euro stehen hierfür von 2022 bis 2027 zur Ver- fügung. Die Kombination dieser Budgets erlaubt schon im Aufruf 2022 eine Ausweitung der Zielgruppen im Be- reich «soziale Teilhabe». Je nach Zielland beläuft sich die Grundförderung zu- künftig auf 490 bis 600 Euro – eine Erhöhung um mehr als ein Drittel beziehungsweise durchschnittlich 37 Prozent. Darüber hinaus bekommen Studierende mit Be- hinderung, die einen Auslandsaufenthalt mit Kind(ern) durchführen möchten, aus einem nicht akademischen Elternhaus stammen oder die nebenerwerbstätig sind, einen Zuschuss von 250 Euro pro Monat. «Eine Erst- akademikerin, die mit Erasmus nach Kopenhagen geht, erhält dann beispielsweise monatlich 850 Euro», erklärt Dr. Stephan Geifes, Direktor der Nationalen Agentur für Erasmus+ Hochschulzusammenarbeit im DAAD. Im Ver- gleich: Bislang waren es maximal 450 Euro. DAADeuroletter wirkung Budget im Aufruf 2022 Für die Mobilität von Einzelpersonen im Hochschulbe- reich stehen im Aufruf 2022 circa 139,5 Mio. Euro zur Ver- fügung. Weitere 15 Mio. Euro kommen aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Durch zusätzliche Budget- transfers kann die NA DAAD die beachtliche Gesamtsum- me von rund 156,6 Mio. Euro für die Bewilligung zugrun- de legen. Diesem Gesamtbetrag stehen rund 218 Mio. Euro gegenüber, die von deutschen Hochschulen und Mobili- tätskonsortien beantragt wurden. Das entspricht rund 71.000 Mobilitäten – und stellt einen enormen Aufwuchs von gut 20 Prozent im Vergleich zum letzten Aufruf dar. Zurückzuführen ist das unter anderem auch auf die An- kündigung erhöhter Förderraten im Dezember letzten Jah- res. Nach 2 Jahren Coronapandemie ist das gewachsene Interesse an Auslandsaufenthalten besonders erfreulich, überrascht allerdings aufgrund der robusten Nachfrage nach Erasmus+ selbst während der größten Einschränkun- gen nicht. Bewilligt werden konnten letztlich über 50.000 Mobilitäten. Noch nie war mehr Austausch. Eine Erfolgsgeschichte geht weiter Mit der ersten Ausschreibung für die Mobilität mit Part- nerländern (KA171) wird nun auch das Erfolgsmodell der International Credit Mobility (ICM) fortgeführt. Aus- gerichtet auf den Austausch mit Partnerländern weltweit können deutsche Hochschulen – nach einem qualitati- ven Auswahlverfahren – in ihren Projekten Studieren- de und Mitarbeitende aus als auch nach Deutschland fördern. Hierfür steht 2022 mit rund 27 Mio. ein mit den letzten Jahren vergleichbares Budget zur Verfügung, das nach verschiedenen Regionen aufgeteilt wird. Auch nach 35 Jahren leistet Erasmus+ mit neuen Zielen und innovativen Angeboten einen erheblichen Beitrag zur individuellen Entwicklung und für die kulturelle An- näherung. Mit der Anhebung der Förderraten und der Erweiterung von finanziellen Aufstockungen auf weitere Zielgruppen sowie den in der neuen Programmphase eingeführten Möglichkeiten von kürzeren und Blended- Aufenthalten sind die Vorrausetzungen geschaffen, noch mehr Studierenden den Weg zu einem Auslandsaufent- halt zu ebnen. n Margarethe Nießen EU02 – Mobilität von Einzelpersonen > erasmus-mobilitaet@daad.de 29

Das Poster zum Erasmus+ Jubiläum: 35 Jahre im Überblick Einfach heraustrennen und immer Bescheid wissen P_I

Kompetenzen von Erasmus-Alumni Laut Online-Befragung1 der Personalverantwortlichen in Deutschland werden kommunikationsstarke und selbstständige Personen gesucht, die sowohl Off enheit für Neues und Flexibilität als auch Durchhaltevermögen zeigen, alle- samt Kompetenzen, die während eines Auslandsaufenthalts erlernt werden: Kulturelle Off enheit und persönliche Bindungen2 Kommunikationsfähigkeit 90,3 % Selbstständigkeit 90,1 % Problemlösefähigkeit 88,7 % Off enheit für Neues 88,1 % 33% 93 % der Erasmus-Alumni haben eine/n Lebenspartner/in mit einer anderen Nationalität der Erasmus-Studierenden berichten, dass sie durch ihren Auslandsaufenthalt gelernt haben, den Wert unterschied- licher Kulturen zu schätzen Werte Durchhaltevermögen 86,1 % die Hochschulen durch Erasmus+ vermitteln möchten4 Flexibilität 82,6 % 75 % Interkulturelles Lernen Skills die Hochschulen durch Erasmus+ fördern möchten3 75 % Persönlichkeits- bildung 83% Toleranz 76 % Nichtdiskriminierung 72% Gleichberechtigung 70% Demokratie Macron-Initiative Europäische Hochschulen seit 2018 Es werden aktuell 41 Europäische Hochschulallianzen mit durchschnittlich 7 Hochschulen je Konsortium gefördert. In diesen beteiligen sich 35 deutsche Hochschulen. Die Initiative geht zurück auf die Rede von Emmanuel Macron an der Sorbonne 2017. Die EU-Kommission hat die Idee aufgegriff en und einen Programmpiloten im Erasmus+ Programm zum ersten Mal im Herbst 2018 ausgeschrieben. Quellen 1, 3, 4 Nationale Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit (Hrsg.), Mobil zum Ziel. Erwartungen deutscher Arbeitgeber an Hochschulabsol- ventinnen und -absolventen (DAAD-Wirkungsstudie Kurzfassung). Bonn 2020. 2 Europäische Kommission, Generaldirektion Bildung, Jugend, Sport und Kultur, Erasmus+ Higher Education Impact Study. Final Report. Luxemburg 2019. 41 Europäische Hochschulallianzen 35 deutsche Hochschulen P_III

DAADeuroletter wirkung Auch für die Programmverwaltung in der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit bedeutete MT+ einen erheblichen (digitalen) Fortschritt: Neben den Finanz- und Projektdaten konnte fast das gesam- te Berichtswesen dort abgebildet werden. Die direkte Verfügbarkeit in einer Datenbank erlaubte es gleicher- maßen, Minder- und Mehrbedarfe leichter zu evaluieren und im Rahmen der anschließenden Mittelumverteilun- gen Fördergelder im Sinne einer optimalen Ausschöp- fung zu allozieren. Die so wertvollen projektbezogenen Steuerungsinformationen waren sowohl für die Hoch- schulen wie für die NA leicht verfügbar. Für die letzten Projekte der vergangenen Programmphase wird das MT+ noch verfügbar sein, die Projekte der neuen Generation sollen dann im Nachfolger – dem Beneficiary Module – gepflegt werden. Erasmus+: Digitalisierung als Eckpfeiler des Programms Dass die Digitalisierung einen maßgeblichen, nun ska- lierten Effekt auf das Programm haben würde, war zu erwarten. Noch während die erste Programmgenera- tion von Erasmus+ lief, identifizierten sie Stakeholder in Diskussionen über die zukünftige Ausgestaltung als transversales Fokusthema. Damit wird auch deutlich, wie wichtig der Europäischen Kommission Digitalisierung für ihre Vorzeigeinitiative im Bildungsbereich ist und welche Dimension die Umsetzung haben wird. Die Digitalisierung setzt dabei an 2 unterschiedlichen Stellen an: – Mit den Blended-Mobilitätsformaten soll durch die Kombination von physischer Mobilität und Online- lernen eine größere und vielfältigere Gruppe von Studierenden und Hochschulmitarbeitenden erreicht werden. Insbesondere die 2021 neu eingeführten Blended Intensive Programmes (BIPs) werden als attraktive und flexible Bereicherung des Erasmus+ Programms wahrgenommen, gerade für die strategi- sche Internationalisierung. Bereits im ersten Pro- jektaufruf haben 75 Prozent der Hochschulen BIPs beantragt. Dabei benutzen sie einige für Sprachkurse, andere für Projekte zu den Themen «Inklusion» und «Nachhaltigkeit». Ein Teil der Hochschulen hat die BIPs zudem in bereits existierende Curricula einge- baut, einige haben jedoch komplett neue Vorhaben mit neuen Partnern aufgesetzt. – Mit der European Student Card Initiative (ESCI), vor allem Erasmus Without Paper (EWP), erfährt aber auch die Programmverwaltung eine Digitalisierung. Das mittelfristige Ziel ist es, den gesamten student mobility lifecycle digital über das sogenannte Eras- mus Without Paper Network abzubilden, perspek- tivisch sollen es sogar alle Mobilitätsmöglichkeiten sein. Die Erfahrungen des vergangenen Jahres haben jedoch gleichfalls gezeigt: Ein so großes und komple- xes Unterfangen wie die Digitalisierung des Eras- mus+ Programms ist nicht reibungslos zu realisieren. Umsetzungsvorgaben sind mit den akademischen Kalendern und (inner-)universitären Abläufen ebenso in Einklang zu bringen wie die technische Interopera- bilität der EWP-Lösungen mit den zuvor festgelegten Deadlines. Weitere unvorhersehbare Verzögerungen – etwa beim Beneficiary Module – sind in Kauf zu nehmen. Unterschiedliche Umsetzungsgeschwindig- keiten werden es auch künftig nötig machen, die Par- allelität von analogen und digitalen Vorgehensweisen zu akzeptieren. Betrachtet man die Vielschichtigkeit der sukzessiven Digitalisierung des Programms, so hat sie Erasmus nicht nur zukunftsfester gemacht. Besonders mit der neuen Programmgeneration hat diese Entwicklung außerdem erheblich zur Sichtbarkeit von Erasmus+ in den Hoch- schulen beigetragen. n Maximilian Pinnen EU02 – Mobilität von Einzelpersonen > erasmus-digital@daad.de 31

DAADeuroletter wirkung Netzwerkausbau als häufigstes Ziel und deutlichste Wirkung Die Beratungsarbeit der NA Bei den qualitativen Fragestellungen lag der Schwer- punkt auf der Perspektive der Hochschulbeteiligten. Zen- tral für ihre Teilnahmemotivation waren insbesondere die fachlichen Motivatoren mit dem Ziel der Netzwerk- bildung. Die erhöhte Sichtbarkeit des Projektthemas, gesellschaftlicher Impact sowie ein verbessertes Lehr- angebot spielten ebenso eine Rolle. Als strategische Mo- tivatoren galten außerdem eine gesteigerte Sichtbarkeit und eine erhöhte Reputation der Hochschule, die vor allem bei den EMJMDs zum Tragen kamen. Ähnlich gestalteten sich die Wirkungen der Projektteil- nahme in den Augen der Befragten: Der Netzwerkaus- bau wurde auch in der Rückschau als deutlichster Effekt hervorgehoben. Er bewirkte eine Internationalisierung von «unten» und in der Breite über die Fachbereiche. Die Netzwerkbildung sahen die Projektbeteiligten zudem – neben einem erweiterten Lehrangebot und der Weiter- entwicklung und Veröffentlichung eigener wissenschaft- licher Arbeiten – als explizit nachhaltig an. Ein breit gefächertes Potenzial in Beispielen guter Praxis Mit der Beratung durch die NA DAAD äußerten sich die Hochschulen fast ausschließlich sehr zufrieden. Hervor- gehoben wurde etwa die bedarfsgerechte Beratung der Nationalen Agentur sowie ihre schnellen und zuver- lässigen Reaktionszeiten. Wir freuen uns über das Lob! Dennoch wurde auch Optimierungspotenzial genannt, das aktuell NA-intern evaluiert wird, um entsprechende konkrete Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Es gibt immer noch etwas zu verbessern Die Evaluationsergebnisse wurden in Fokusgruppen mit Hochschulvertretern und Expertinnen diskutiert und va- lidiert. In den abschließenden Handlungsempfehlungen an die NA DAAD, die deutschen Hochschulen und die EU-Kommission beziehungsweise EACEA geht es im We- sentlichen um den Ausbau der hochschulstrategischen Nutzung der Erasmus+ Kooperationsförderlinien zur Internationalisierung, die Sicherung der nachhaltigen Nutzung der Projektergebnisse und ein besseres Kosten- Nutzen-Verhältnis für die Projektbeteiligten. n Ein wesentlicher Aspekt der Evaluation war es auch, Bei- spiele guter Praxis sichtbar zu machen. In insgesamt 9 ausgewählten Beispielen wird eindrucksvoll dargestellt, wie die Projekte eigenen Zielen und der strategischen Planung der jeweiligen Hochschule(n) entsprechen und welche vielfältigen, zum Teil hochschulübergreifenden Wirkungsmöglichkeiten durch die kreative Nutzung des Portfolios von Erasmus+ entstehen können. Zum Nachlesen und Weitergeben In der auf Deutsch und Englisch vorliegenden Evaluations- broschüre werden die Ergebnisse und Handlungsempfeh- lungen des ausführlichen Berichts zusammengefasst, um die gewonnenen Erkenntnisse an alle in- und ausländischen Akteure effektiv zu verbreiten und für die Erasmus+ Koope- rationsprojekte fruchtbar zu machen. Nähere Informationen finden sich unter https://t1p.de/19ec. Katrin Winter EU03 – Partnerschaften und Kooperationsprojekte > e+evaluation@daad.de 33

DAADeuroletter wirkung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg verant- wortet, fand mit den Zukunftsweisenden Kooperations- projekten die passende Förderlinie, denn sie «ermöglicht den länderübergreifenden Austausch, der ein essenziel- les Element auf dem Weg zur Fortentwicklung der (digi- talisierten) europäischen Hochschullandschaft ist.» A strategic reflection on digitalisation at European higher education institutions (DIGI-HE) Projekt: Hochschule: Duale Hochschule Baden-Württemberg Projektdauer: 01.01.2020–31.12.2022 EU-Förderung: 471.204 € Beim Projekt «Towards a European Framework for Community Engagement of Higher Education» (TEFCE), in dem es um die Entwicklung innovativer und prakti- kabler Instrumente auf universitärer und europäischer Ebene zur Unterstützung, Überwachung und Bewertung des Engagements von Hochschulen in der Gesellschaft ging, stand ein anderer, gleichwohl wichtiger Aspekt im Vordergrund, «der eine Antragstellung in der Leitaktion 3 als logische Variante erschienen ließ», erläutert Chris- tian Gerhardts von der Technischen Universität Dresden, bei der die Projektkoordination lag. «Es handelt sich um ein strategisches Thema, das die Politik in der Zukunft beeinflussen kann (und soll)». Und das ist auch gesche- hen, landete die Thematik doch erst wegen TEFCE auf der Agenda der EU-Kommission. Towards a European Framework for Community Engagement of Higher Education (TEFCE) Projekt: Hochschule: Technische Universität Dresden Projektdauer: 01.01.2018–31.10.2021 EU-Förderung: 499.300 € Projekte Sozialer Inklusion Angesichts gesellschaftlicher Veränderungen und Ereig- nisse, die die Notwendigkeit der Förderung des sozialen Zusammenhalts unterstrichen, wurden schließlich 2016 erstmalig Projekte Sozialer Inklusion ausgeschrieben. Den thematischen Kern bildete oftmals die Unterstüt- zung von Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus, Toleranz und Solidarität, sozialem Zusammenhalt, kritischem Denken, Medienkompetenz und interkulturellem Dialog. Ein Projekt, das sich daran anknüpfend zum Ziel setzte, Ansätze eines partizipativen Journalismus zu entwickeln und dabei Milieus urbaner Jugend zu erreichen, war «Innovative educational practices for an inclusive and participatory Europe – Bridging the gap between univer- sity and non-formal education» (INsPIrE). Der ehemalige Projektverantwortliche an der Eberhard Karls Universi- tät Tübingen, Dr. Kiron Patka, zieht eine positive Bilanz: «Die Auseinandersetzung mit den Kerngedanken von INsPIrE hat sicherlich nachhaltige Wirkung gezeigt und im Hinblick auf unsere journalistische Praxisausbildung das Bewusstsein für gesellschaftliche Teilhabe und parti- zipative Ideen erhöht». Innovative educational practices for an inclusive and participatory Europe – Bridging the gap between university and non-formal education (INsPIrE) Projekt: Hochschule: Eberhard Karls Universität Tübingen Projektdauer: 31.12.2016–31.12.2018 EU-Förderung: 426.967 € n Kathrin Herres, Matthias Becker EU04 – Politikunterstützung > policysupport@daad.de 35

Aktuelle Entwicklungen auf europäischer Ebene 2022 ist in zweifacher Hinsicht ein besonderes Jahr, denn zum einen feiert das Erasmus+ Programm sein 35-jähriges Bestehen und zum anderen hat die Europäi- sche Kommission das Europäische Jahr der Jugend aus- gerufen. Mit der horizontalen Priorität wird Erasmus+ die Beteiligung junger Menschen am demokratischen Leben unterstützen und damit einen wesentlichen Bei- trag zum Europäischen Jahr der Jugend leisten. So hat beispielsweise die in Frankreich für den Hoch- schulbereich verantwortliche l'agence Erasmus+ France/ Éducation Formation anlässlich des 35-jährigen Jubiläums von Erasmus+ und der französischen EU-Ratspräsident- schaft im ersten Halbjahr 2022 Bürgerinnen und Bürger eingeladen, im Rahmen eines Erasmus+ Bürgerforums über die Zukunft des Programms nachzudenken. Schüle- rinnen und Schüler, Studierende, Auszubildende, Frei- willige, Lehrende und junge Arbeitssuchende haben in diesem Rahmen 35 konkrete Vorschläge erarbeitet, um Erasmus+ für alle zugänglicher zu machen und somit möglichst viele «Mobilitätsträume» zu verwirklichen. DAADeuroletter wirkung Das Ziel war, diejenigen, die eine Mobilitätserfahrung gemacht haben, und diejenigen, die noch nicht von Erasmus+ profitiert haben, zusammenzubringen und ihnen eine Stimme zu geben. Insgesamt waren 70 junge Menschen beteiligt, davon 35 mit und 35 ohne Mobili- tätserfahrung. Die von ihnen erarbeiteten Vorschläge wurden in der Publikation «Vers un droit à la mobilité apprenante en Europe pour tous» («Hin zu einem Recht auf Lernmobilität für alle in Europa»2) festgehalten und lassen sich in fünf Themenbereiche unterteilen: 1. Erasmus+ so nah wie möglich an den Interessierten bewerben, insbesondere durch die Einrichtung von Erasmus+ Informationsstellen in jeder Bildungsinsti- tution oder durch die Schaffung eines Netzwerks von Erasmus+ Botschafterinnen und Botschaftern 2. Die Mobilität zu einer anerkannten Etappe im Le- benslauf machen, vor allem durch die Gewährleis- tung eines Rechts auf Mobilität für alle 3. Günstige Bedingungen schaffen, um Lernende zur Teilnahme an Erasmus+ zu motivieren, speziell durch die Unterstützung bei der Wohnungssuche und durch bedarfsgerechte Betreuungsangebote 4. Beseitigung finanzieller Hindernisse für eine Mobi- lität, die für alle zugänglich sein soll, insbesondere dadurch, dass die finanziellen Rahmenbedingungen bereits vor der Mobilitätsphase transparent gemacht werden und eine monatliche Auszahlung des Stipen- diums nach einer Vorauszahlung gewährleistet wird. Auch soll der Erasmus+ Studierendenausweis für alle Geförderten allgemein eingeführt werden. 5. Die Lernenden von Beginn bis zum Ende der Mobili- tätsphase begleiten, vornehmlich durch eine Betreu- ung vor Ort3 Die Vorschläge dienen als Diskussionsgrundlage auf europäischer Ebene und sollen zur qualitativen Weiter- entwicklung des Erasmus+ Programms beitragen. n Kathrin Herres EU04 – Politikunterstützung > policysupport@daad.de 2 und 3: freie Übersetzung; die französischsprachige Originalbroschüre ist auf der Webseite der französischen Nationalen Agentur zum Download erhältlich https://t1p.de/3ioj3 [14.06.2022]. 37

DAADeuroletter wirkung «Europa macht Schule» setzt sich für den internationalen Austausch in (Hoch-)Schu- len ein. Im Rahmen des Programms können internationale Studierende, die aktuell an einer deutschen Hochschule immatrikuliert sind, ein Projekt zu ihrem Heimatland an einer Schule in Deutschland durchführen. Betreut werden sowohl die Studieren- den wie die Lehrkräfte von lokalen Standort-Teams, die sich aus ehrenamtlichen Studierenden zusammensetzen. Die Standort-Teams selbst erfahren Unterstützung durch die EmS-Koordinationsstelle im Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und den gleichnamigen Verein Europa macht Schule e. V., der auch ideel- ler Träger des Programms ist. Das Programm wurde vom Verein 2006 auf der Studienkonferenz «Was hält Europa zusammen» ins Leben gerufen. 2008 übernahm der Bundespräsident die Schirmherrschaft, die bis heute besteht. Seit 2009 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) EmS finanziell. Die Koordination des Programms liegt seit demselben Jahr in hauptamtlicher Tätigkeit bei der im DAAD angesiedelten Nationalen Agentur für Erasmus+ Hochschulzusammenarbeit. EmS als wichtige Brücke zwischen Hochschulen und Schulen Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von «Europa macht Schule» ist der über verschiedene Bildungsinstitutionen hinaus bestehende Dialog. Es sind nicht nur die Stu- dierenden, die von der Erfahrung profitieren können, sondern ebenso die Schulen sowie Schülerinnen und Schüler, die mit ihnen gemeinsam ein Projekt durchfüh- ren und dabei Einblicke in andere, für sie mitunter neue Kulturkreise erhalten. So kann bereits im Schulalter das Interesse an anderen Ländern, Kulturen und einem eige- nen Auslandsaufenthalt mit beispielsweise Erasmus+ geweckt werden. Bei der jungen Generation wird durch EmS auch das Bewusstsein für einen reflektierten Umgang mit Perso- nen verschiedener Ethnien angeregt. In einer Zeit, in der Rechtspopulismus ein wachsendes Problem darstellt, können interkulturelle Begegnungen Vorurteilen vor- beugen und ein friedliches Zusammenleben mit ande- ren Kulturen in Europa und der Welt fördern. Darüber hinaus werden Schülerinnen und Schüler durch EmS für aktuelle Themen sensibilisiert, wie das Projekt «Die Rolle der Frau in Afghanistan»2 gezeigt hat. Weitere Informationen zum Programm sowie Erfahrungsberichte finden sich auf der Website www.europamachtschule.de. n Lisa Scheuring, Raffaella Lesizza EU05 – Kommunikation und studentisches Engagement für Europa > europamachtschule@daad.de 2 Der vollständige EmS-Projektbericht findet sich unter www.europamachtschule.de/das-programm/erfahrungen/die-rolle-der-frau-in-afghanistan [04.05.2022]. 39

DAADeuroletter erfahrung «Außerdem bauen wir unsere Lokale Erasmus Initiati- ve so weit auf, dass sie als studentische Multiplikatoren agieren können. Auch die Internationalisierungsbeauf- tragten an den Fakultäten können in Beratungssituatio- nen auf Fördermöglichkeiten hinweisen.» Über die tat- sächliche Zahl der Studierenden mit geringeren Chancen an der TH Köln gibt es nur ungefähre Angaben, da diese Information bei der Einschreibung freiwilliger Natur ist und viele potenziell förderfähige Studierende aus Sorge vor Stigmatisierung davor zurückschrecken. Elemente der Kommunikationsarbeit Wichtig seien niedrigschwellige Angebote, auch in Zu- sammenarbeit mit anderen betroffenen Studierenden, betont Janina Knöll. Dabei hebt sie die Option hervor, sich ebenfalls anonym im geschützten Raum einer vir- tuellen Beratungssituation informieren zu können. Dies erlaubt eine Kommunikation ohne Hemmschwellen, die sich erst während der COVID-19-Pandemie etabliert hat. «Bei uns ist die Zahl von Outgoings mit Beeinträchti- gung von 7 im Jahr 2019 auf 16 gestiegen. Mir persönlich wäre wichtig, dass auch Studierende die eine psychische Beeinträchtigung, aber keinen Grad der Behinderung oder Chronifizierung haben, die Förderung in Anspruch nehmen können. Gerade für diese Zielgruppe ist die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, oft hoch.» Fortsetzung vorgesehen: Im Rahmen der digitalen Infor- mationen der NA DAAD werden wir in loser Folge weitere Impulse im Themenkomplex «Inklusion in der Kommuni- n kationsarbeit von Hochschulen» veröffentlichen. Der Bedarf für die Teilhabe körperlich beeinträchtigter Zielgruppen oder Studierender mit Kind an Erasmus+ Mobilitäten ist groß. Die Erhöhung der Förderraten und die Ausweitung der finanziellen Aufstockung (top-ups) auf weitere Gruppen in der neuen Programmgeneration schaffen exzellente Voraussetzungen für den Auslands- aufenthalt, aber nicht immer sind diese Optionen auch hinreichend bekannt. «Wir informieren umfassend, so- bald die Studierenden einmal im Bewerbungsprozess für eine Mobilität angekommen sind. Bis dahin können wir zwar auf unseren Webseiten die Möglichkeiten der so- zialen Teilhabe kommunizieren, wissen aber nie, ob wir tatsächlich die Zielgruppe erreichen», beschreibt Janina Knöll die Situation. Das Referat für Internationale Angelegenheiten der TH Köln setzt auf die Erasmus-Webseiten der Hochschule und das Lernmanagement-System ILIAS, um entspre- chende Informationen zu verbreiten. «Unser wichtigs- tes Instrument ist jedoch unsere Beratungswoche ‹Café Mondial›.» Einmal pro Semester werden dabei in teil- weise verpflichtenden virtuellen Sessions die Studieren- den angesprochen. Dabei gibt es auch eine Sitzung, die sich ausschließlich dem Thema «Inklusion und Teilha- be» widmet. Erfolgreicher im Verbund Für Janina Knöll ist die enge Zusammenarbeit mit der Beauftragten für Studierende mit Beeinträchtigung im Team der Studienberatung, aber gleichfalls mit den Kolleginnen und Kollegen, die diese Beratung vereinzelt an Fakultäten übernehmen, unabdingbar für die erfolg- reiche Kommunikation, insbesondere durch das breitere Wissen um die externen Fördermöglichkeiten an der ge- samten Hochschule auch für die Regelstudierenden. «So ergänzen wir uns, da man gerade an einer großen Hoch- schule wie der TH Köln nicht immer über alle Projekte Bescheid wissen kann», erläutert sie. Janina Knöll ist Erasmus+ Hochschulkoordinatorin und gehört zum Team International Mobility im Referat für internationale Angelegenheiten der Technischen Hochschule Köln > janina.knoell@th-koeln.de 41

DAADeuroletter erfahrung Fachhochschule Dortmund: Internationalisierung in den Technikwissenschaften «Ausgehend von unserem Projektmanagement-Master ‹EuroMPM› haben wir an der FH Dortmund zwischen 2015 und 2021 die Informatik und die Ingenieurwissenschaften umfassend internationalisiert und gleichzeitig das Angebot an Bache- lor- und Masterstudien in Kooperation mit europäischen Partnerhochschulen merklich ausgebaut. Möglich war dies durch die Kombination verschiedener DAAD-Förderprogramme, beispielsweise ‹Internationale Mobilität und Kooperation digital› (IMKD) und ‹Internationalisierung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Fachhochschulen› (HAW.Internatio- nal), sowie Erasmus+, namentlich der Programmlinie ‹Wissensallianzen›, über die wir die europäische Industrie einbinden können. Die Begeisterung in den Technikfachbereichen über diese Entwicklung ist spürbar.» Professorin Dr. Katrin Löhr, Prorektorin Internationalisierung und Diversity, FH Dortmund Hochschule Anhalt: signifikante Steigerung von internationalen Studierenden und der Verbindung in die Wirtschaft «Mit den exzellenten Talenten, die wir über den Erasmus Mundus Joint Master Degree (EMJMD) ‹European Master of Science in Sustainable Food Systems Engineering, Technology and Business› gewinnen konnten, war es uns möglich, Wirtschafts- unternehmen der Region für unsere Studierenden zu begeistern. So entstand aus der Erfahrung des Erfolgs das Projekt zur regionalen Fachkräftesicherung, das bürokratische Hürden der Vermittlung in der Region über Betreuung überbrückt und zusätzliche Deutschintensivkurse für den Einstieg in ein Berufsleben anbietet. Seit 2019 konnten wir mit diesen zielgruppen- gerechten Aktivitäten 183 internationale Studierende in Vollzeitstellen und Praktika vermitteln – viele davon in Sachsen-An- halt. Ein Ergebnis inspiriert durch das EMJMD-Projekt.» Anne Beer, International Office, in Kooperation mit Professor Dr. Wolfram Schnäckel, HS Anhalt Johannes Gutenberg-Universität Mainz: gezielte Zusammenarbeit mit strategischen Partnern «Für uns als Universität ist der 2021 ausgewählte Erasmus-Mundus-Masterstudiengang eine hervorragende Möglichkeit, unsere strategischen Allianzen zu festigen und unser internationales Studienprofil sichtbar zu profilieren. Das gemeinsam mit unseren Partnern, der Universidade do Porto, der Université du Luxembourg und der Università degli Studi di Palermo, entwickelte Masterprogramm ‹Transnational German Studies› baut auf unserer Erasmus+ Strategischen Partnerschaft ‹TALC_ me› auf. Es ist ein wunderbares Beispiel für unsere internationale Ausrichtung, für das Anliegen, Studierenden in vielfältigen internationalen Netzwerken exzellente Lehre auf Weltniveau anzubieten. Dafür treten wir vor allem in unserer Europäischen Hochschulallianz FORTHEM ein.» Professor Dr. Stephan Jolie, Vizepräsident für Studium und Lehre, Johannes Gutenberg-Universität Mainz ■ Beate Körner EU03 – Partnerschaften und Kooperationsprojekte > copartner.eu@daad.de 43

DAADeuroletter Fokus Tschechien 1 – Die Karls-Universität in Prag (hier das Collegium Carolinum aus dem 14. Jh.) ist die größter Uni Tsche- chiens und die älteste Mitteleuropas 2 – Der Bolt Tower in Ostrava wurde als Aussichtsturm über dem Hochofen 1 auf dem ehemaligen Bergwerks- geländer Dolní Vítkovice erbaut 3 – Die St. Bartholomäus-Kathedrale im Zentrum von Pilsen 4 – Die Nationalbibliothek der Tschechischen Republik im Clementinum in der Prager Altstadt hat einen Bestand von über 7 Mio. Dokumenten 5 – Mountainbiketrail in Beskiden (Karpaten) 6 – Das «Tanzende Haus» ist zum Sinnbild moderner Architektur in Prag geworden. Hier anlässlich Prague-Pride illuminiert 7 – Rafting auf den Teufelsströmen (Čertovy proudy) der «Wilden Moldau», eine der schwierigsten Wasser- strecken der Welt 8 – Die im 14 Jh. über der Moldau errichtete Karlsbrücke im winterlichen Prag 9 – Die Masaryk-Universität (hier eine Impression des Campus Bohunice ) in Brünn ist die zweitgrößte Uni Tschechiens e s s e r P – t ä t i s r e v i n U k y r a s a M / . A . o ) 9 , t z c / k e č á v S r o b i L ) 8 , t z c / k e c o H n a J ) 7 , t z c / a n i d e M r a c s O ) 6 , t z c / k i v a l S r t e P ) 5 , ) 0 . 2 A S - Y B C C ( a i d e p i k i W / t n a z l e D o n u r B ) 4 ; k c o t S e b o d A / r t e l K ) 3 ; ) t z c ( z c . m s i r u o t h c e z c / n o z r e Z i r i J ) 2 ; ) 0 . 4 A S - Y B C C ( a i d e p i k i W / t i V t i V ) 1 © s o t o F 45

DAADeuroletter Fokus Tschechien students, while Czech students and trainees, in turn, mainly go to Spain, Germany, and Portugal. In 2019/20, for example, around 10,000 students and trainees came to Czechia, and slightly more than 7,500 temporarily moved abroad to pursue their stud- ies or to complete an internship.2 A warm welcome to the new pro- gramme generation Mobilities declined as a result of Covid from the spring of 2020, but numbers have begun to pick up again, and DZS is hopeful that this trend will continue. The response to the 2021 call for proposals was cer- tainly very promising. Another cause for optimism is «the enthusiastic reception of the new opportunities offered by the 2021-2027 program- ming period», states Uhl. Czech universities reacted particularly positively to the extension of inter- national mobility to the whole world and the possibilities of the Blended Intensive Programmes. «University coordinators say that these inno- vations reflect the actual needs of students and academic staff and will help the programme to attract even more participants», he declares. DZS itself appreciates the efforts of the European Commission to make Erasmus+ more inclusive and over- come barriers to participation in the programme. «We are also very happy about the green course chosen», Uhl points out. «We believe that changes in the programme allow → 2 European Commission, Erasmus+ 2020 in numbers: Czechia, available online at https:// ec.europa.eu/assets/eac/factsheets/pdf/cz- erasmus-plus-2020-in-numbers.pdf [29.04.2022]. Fakten zu Tschechien Name Tschechische Republik, Česká republika Landesfläche 78.866 km² Hauptstadt Prag, Praha Bevölkerung 10.709.000 (Stand 2021) Amtssprache Tschechisch Staats-/Regierungsform Parlamentarische Republik Infrastruktur/Verkehr Tschechien verfügt über eine gute Verkehrsanbindung an seine Nachbarstaaten. Im Logistics Performance Index (Weltbank) belegte die Qualität der Infrastruktur 2018 den 22. Platz unter 160 Ländern. Von allen Ländern in Zentral-/Osteuropa belegt es damit den ersten Rang. Die Länge des Autobahnnetzes betrug 630 km (Stand 2006). Es besteht ein absolutes Alkohol- verbot am Steuer (0,0 Promille)*. Das Streckennetz der Bahn beträgt 9.620 km (Stand 2010), das Land verfügt damit über das dichteste Eisenbahnnetz der Welt (ohne Stadtstaaten, gleichauf mit der Schweiz). In größeren Städten ver- kehren Straßenbahnen und Busse, in Prag zudem die Metro mit 3 U-Bahnlinien. In den letzten Jahren wurde intensiv an einem nationalen Radnetz gebaut, mit einheitlichen (gelber) Radweg-Beschilderung und nummerierten Radwegen. Studium Die Hochschulen genießen weitgehende Autonomie und es gilt das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre. Tschechien verfügt über mehr als 26 öffentliche Hochschulen. Daneben gibt es ca. 34 private Einrichtungen. Den deutschen Fachhochschulen vergleichbare Einrichtungen gibt es nicht, das Niveau der Higher Professional Schools liegt weit unter dem der FHs. Das aka- demische Jahr (01.10. bis zum 31.06.) ist in 2 Semester aufgeteilt, im Juli und August ist vorlesungsfreie Zeit. Die genauen Prüfungs- und Vorlesungszeiten werden vom Dekan für die jeweilige Fakultät festgelegt. Durch die Teilnahme am Bologna-Prozess gibt es ein 3-stufiges Studiensystem mit Bachelor, Master und Promotion.** Quellen: Wikipedia, * Auswärtiges Amt - Länderinformation, **DAAD Alle Angaben ohne Gewähr. Nützliche Informationen vor dem Start nach Tschechien Länderinformationen des Auswärtigen Amtes www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tschechischerepublik-node Länderinformationen des DAAD www.daad.de/de/laenderinformationen/europa/tschechische-republik/ Studieren in Tschechien (ein Service der Czech National Agency for Internatio- nal Education and Research) www.studyin.cz/ Website «studieren weltweit – ERLEBE ES!» mit Berichten Studierender über das Gastland Tschechien www.studieren-weltweit.de/laender-entdecken/tschechien/ 47

DAADeuroletter Fokus Tschechien organisations and institutions to better respond to current challenges and to develop activities that lead to the desired changes according to the main priorities of the programme: inclusion and diversity, digital transformation, environment and fight against climate change, and participation in democratic life.» Implementing Erasmus’s thematic priorities To disseminate these priorities, to explain their importance and im- plications, and to familiarise the professional as well as the general public with them, the Czech Nation- al Agency for International Educa- tion and Research pursues a broad media strategy. It relies on various social media channels – Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn –, but also publishes brochures dedicated to specific subjects, for example a travel guide titled «How to travel ecologically», and a magazine (print and online) as well as a newsletter for each education sector (higher, school, vocational, adult, and youth). The measures that have been taken to promote inclusion are probably the most advanced so far. A working group consisting of representatives of all sectors of the Erasmus+ pro- gramme as well as the European Sol- idarity Corps programme has been operating in DZS since 2021. It mon- itors the fulfilment of all objectives in the field of inclusion and diversity and, if necessary, makes recommen- dations to the agency’s management for necessary updates or changes of the objectives, for example. To attract interest in peripheral are- as of the country, the DZS has also opened its first three regional DZS offices, namely in the Zlín, Olomouc and South Moravia regions in the east of Czechia. Their staffs will be tasked with disseminating informa- tion about international education programmes and providing consul- tations to potential applicants, with a special focus on organisations and institutions not yet involved. The merits of co-operations In terms of institutional co-oper- ations, DZS is currently in regular communication with the French Na- tional Agencies, especially l’agence Erasmus+ France/Éducation Forma- tion, as the Czech Republic will take over the presidency of the Council of the EU on 1st July 2022. However, it maintains the closest relations with the two Slovak national agencies. «Cooperation with Slovakia is an ob- vious choice for us», argues Uhl. «We share a similar language and a long common history. Thanks to this, we can learn from each other and easily share examples of good practice.» In general, Uhl states, «it is our strong belief that international experience makes society and the world a better place. That’s why we are passionate about developing educational programmes that give everyone a chance to get involved in international activities.» And at a personal level, he adds, «I see Erasmus+ as a flagship programme which enables the vision of every pupil and student to have an in- ternational experience during their educational journey.» ■ 49

DAADeuroletter forum Für viele deutsche Hochschulen sind Microcredentials ein wichtiges Thema Ein signifikanter Anteil der an der Umfrage teilnehmen- den deutschen Hochschulen befasst sich mit dem Thema «Microcredentials». Das sind Hochschulen, die solche Lerneinheiten schon anbieten (20 Prozent), sie intensiv diskutieren und eine Einführung konkret planen (8,4 Prozent) oder sie zumindest als Gegenstand wesentlicher hochschulinterner Diskussionen bezeichnen (15,5 Pro- zent). In Summe sind das über 40 Prozent der Befragten. Das ist eine beachtenswerte Größe, gerade wenn man bedenkt, dass man sich noch in der Anfangsphase dieser Entwicklung befindet. Sieht man von den Kunst- und Musikhochschulen ab, an denen bislang offenbar keine Microcredentials an- geboten werden, so kann man sagen, dass sich fast jede zweite Hochschule, die sich an der Umfrage beteiligt hat, mit dem Thema beschäftigt. Die detaillierte Auswertung der Umfrage nach Hochschulart zeigt außerdem, dass die Werte bei Universitäten und Fachhochschulen/Hoch- schulen für angewandte Wissenschaften insgesamt sehr ähnlich sind. Gleichzeitig bestätigt die Erhebung, dass die Europäischen Hochschulen, denen auf europäischer Ebene beim Thema «Microcredentials» oft eine Vorrei- terrolle zugeschrieben wird, auf diesem Feld tatsächlich sehr aktiv sind. «Microcredentials stehen für eine Flexibili- sierung der Bildungswege in Deutschland und der Europäischen Union in einer zunehmend technisierten und hochkomplexen Arbeitswelt. Es ist erfreulich zu sehen, dass sie neben dem naheliegenden Einsatz in der Weiterqualifikati- on zunehmend auch als sinnvolle Maßnahmen zur Internationalisierung und zur Steigerung kurzfristiger Mobilität in der EU wahrgenom- men werden.» DAAD-Präsident Professor Dr. Joybrato Mukherjee Regelungsbedarf auf europäischer Ebene Eine Mehrheit der Befragten sieht beim Thema «Micro- credentials» einen Regelungsbedarf auf europäischer Ebene. Insbesondere das Kernanliegen der Ratsempfeh- lung, durch eine gemeinsame Definition sowie Standard- elemente für die Beschreibung von Microcredentials ein besseres Verständnis zu erreichen, erfährt Unterstüt- zung. Als weitere wichtige Themenfelder mit Regelungs- bedarf werden vor allem Anerkennung und Portabilität sowie die Qualitätssicherung benannt. Eine detaillierte Auswertung der Umfrage findet sich unter https://t1p.de/vivmp. Microcredentials für lebenslanges Lernen – aber auch für die Internationalisierung Microcredentials weiter im Fokus Die zentralen Anwendungsbereiche für Microcredentials sind aus Sicht der Hochschulen die wissenschaftliche Weiterbildung und das lebenslange Lernen. Diese Ein- schätzung deckt sich mit der Zielrichtung der Ratsemp- fehlung zum europäischen Ansatz für Microcredentials, in der das lebenslange Lernen im Mittelpunkt steht. Der Bereich der Internationalisierung, dem in der Rats- empfehlung weniger Bedeutung zukommt, wird von den Hochschulen ebenso als wichtiges Einsatzfeld identifi- ziert. 56,2 Prozent der Befragten sehen in Microcredenti- als ein sinnvolles flankierendes Instrument zur Inter- nationalisierung, und viele der Hochschulen, die bereits solche kleinen Lerneinheiten anbieten, tun dies im Inter- nationalisierungskontext. Die NA DAAD behält die Entwicklungen auf dem Ge- biet dieser kleinen Lerneinheiten weiter im Blick – und dies nicht nur im Kontext des Europäischen Hochschul- raums. Auch außerhalb Europas befasst man sich zum Teil intensiv mit dem Thema. Um die globale Sichtweise auf die Entwicklungen in Europa und die Vorstellung verschiedener Projekte und Initiativen aus anderen Welt- regionen ist es beim Onlineseminar «Global Dialogue on Micro-Credentials» gegangen, das die NA DAAD am 23. Juni 2022 ausgerichtet hat. n Tim Maschuw EU04 – Politikunterstützung > bologna@daad.de 51

DAADeuroletter forum Erasmus+ und der Krieg in der Ukraine Text: Marcus Klein Schnell, flexibel und großzügig: So lassen sich die Maßnahmen beschreiben, die die Europäische Kommission im Rahmen des Erasmus-Programms angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine und der dadurch nicht zuletzt im Hochschulbereich verursachten Verwerfungen ergriffen hat. Die beiden wichtigsten Instrumente sind die Förderlinien «Mobilität von Einzelpersonen» und «Mobilität mit Partnerländern». Die Europäische Kommission reagierte rasch. Am 25. Fe- bruar, nur einen Tag nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, genehmigte sie die Force-majeure-Regel für alle geplanten und laufenden Mobilitäten mit den beiden Partnerländern. Und eine Woche später, am 3. März, ver- kündete die für die Forschung, Innovation und Bildung, Kultur und Jugend zuständige EU-Kommissarin Mariya Gabriel die ersten Schritte zur Unterstützung von Stu- dentinnen und Studenten, Lehrkräften sowie Hochschul- personal, die die Ukraine wegen des Kriegs verlassen mussten. Erklärtes Ziel war und ist es, möglichst vielen Betroffenen – Ukrainerinnen und Ukrainern wie auch Angehörigen von Drittstaaten – umfassend zu helfen, und das mit minimalem bürokratischem Aufwand (für sie selbst wie auch die aufnehmenden Hochschulen). Pragmatische Verwaltung und finanzielle Unterstützung So bedeutete die Anwendung von Force majeure für laufende Mobilitätsprojekte mit Partnerländern («Inter- national Credit Mobility», ICM), dass die Verwaltung von Mobilitäten geflüchteter Menschen aus der Ukraine vereinfacht wurde. Beispielsweise können Förderungen ohne besondere Formalitäten auf 12 Monate ausgedehnt und neue Fördervereinbarungen abgeschlossen wer- den, ohne dass die ukrainische Hochschule eine Hoch- schul- oder Lernvereinbarung unterzeichnet. Gleichzeitig wurden Umverteilungen von Mitteln in den bestehen- den Projekten mit Partnerländern zugunsten der Inco- ming-Mobilitäten aus der Ukraine in die Wege geleitet. 250.000 Euro stehen so in einer ersten Umverteilungs- aktion zusätzlich zur Verfügung. Noch mehr Geld gibt es für ab August 2022 laufende ICM-Projekte, nämlich 5 statt der ursprünglich geplanten 3 Mio. Euro. Hierfür wurden einerseits zusätzliche Mittel bereitgestellt, an- dererseits Umverteilungen aus den Budgets für andere Regionen vorgenommen. Die Öffnung der internationalen Mobilität Die weitreichendste Maßnahme ergriff die Kommission aber Anfang April, als sie die Möglichkeiten zur Unterstüt- zung Geflüchteter aus der Ukraine über die Programm- linie «Mobilität von Einzelpersonen» erweiterte. Hoch- schulen wurde – ausnahmsweise – erlaubt, grundsätzlich für die Förderung von Auslandsmobilitäten vorbehaltene Mittel für aus der Ukraine nach Deutschland kommende Studierende und Hochschulmitarbeitende einzusetzen. Etliche deutsche Hochschulen haben davon Gebrauch ge- macht, wie die Beispiele der Europa-Universität Viadrina und der FH Bielefeld auf den folgenden Seiten zeigen. Auch der DAAD ist aktiv Indes hat auch der DAAD sein Förderangebot für die Ukraine ausgeweitet. Finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung werden zum einen bestehende Flüchtlingsprogramme wie «Integra» (Förderung Studien- vorbereitung), «Welcome» (Unterstützung studentischer Integrations-Initiativen) und «PROFI» (Fachkompeten- zen für geflüchtete Akademikerinnen und Akademiker) ausgebaut. Zum anderen geht ein neues Digitalisierungs- programm, «Ukraine digital: Studienerfolg in Kriegszei- ten sichern», mit ukrainischen Partnern an den Start. Die Nationale Akademische Kontaktstelle Ukraine bietet erste Orientierung in Deutschland und vor allem Informatio- nen zum deutschen Hochschul- und Forschungssystem. → Weiterführende Informationen > DAAD: > NA DAAD: > Europäische Kommission: https://erasmus-plus.ec.europa.eu/news/eu-stands-with-ukraine https://www.daad.de/de/der-daad/ukraine/ https://eu.daad.de/service/was-noch-bewegt/ukraine/de/ 53

DAADeuroletter forum Das Programm stößt auf große Zustimmung: Mehr als 80 Studierende haben sich beworben. Die Nachfrage ist noch wesentlich größer, es steht jedoch nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung, da die Deutschkurse, die integraler Bestandteil des Programms sind, auf 60 Personen limitiert sind. Gut die Hälfte der Teilnehmenden des Welcome-Se- mesters sind Studierende aus Drittstaaten, die bisher in der Ukraine eine Hochschule besuchten und ebenfalls fliehen mussten. «Das rege Interesse zeigt, wie sehr sich die aus der Ukraine Geflüchteten wünschen, ihre akademische Laufbahn fortzu- führen», unterstreicht Judith Peltz, Leiterin des Dezernates Internationales der FH Bielefeld. «Wir freuen uns sehr, dass wir sie dabei unterstützen können.» Möglich war das zum einen nur, so Peltz weiter, «weil unsere Lehrenden in kurzer Zeit ein so breites zusätzliches Angebot auf die Beine gestellt haben.» Zum anderen müssen die Europäische Kommission und die NA DAAD erwähnt werden. »Es waren ihre schnellen Reaktionen sowie die großzügigen Umsetzungsleitlinien, die uns als International Office auch dazu ermutigt, das Pro- gramm zu starten.» Ausführliche Informationen zum Angebot der FH Bielefeld finden sich auf der eigens eingerichteten Webseite unter https://t1p.de/xu51e. ■ Study On, Ukraine! Text: Judith Peltz Weniger als 2 Monate sind von der ersten Idee bis zum Be- ginn des Programms vergangen. Seit Anfang Mai bietet nun die Fachhochschule Bielefeld für Studierende, die aus der Ukraine fliehen mussten oder derzeit nicht an ihren Heimat- hochschulen weiterstudieren können, ein bis August lau- fendes interdisziplinäres Studienprogramm unter dem Titel «Study On, Ukraine! Welcome Semester» an. Die Studieren- den können sich weiterqualifizieren und Kompetenzen er- werben, die für ihre akademische Zukunft Bedeutung haben, ein Studium in Deutschland planen oder die Zeit bis zu ihrer Rückkehr in die Ukraine sinnvoll nutzen. Das Angebot umfasst über 30 Präsenz- und Onlinekurse aus allen Fachbereichen, unter anderem intensiven Deutschunter- richt und englischsprachige Lehrveranstaltungen aus den Bereichen «Wirtschaft», «Sozialwesen», «Ingenieurwissen- schaften», «Informatik» und «Gestaltung», sowie Informatio- nen zum Studium und Leben in Deutschland. Die Europäische Kommission ermöglicht zudem eine Förderung der Studieren- den aus dem Erasmus-Programm. Da sich viele Studierenden in einer unsicheren Lebenssituation befinden, hilft ihnen die Unterstützung sehr. Die FH Bielefeld hat sich für ein Brückensemester entschie- den, weil deutlich wurde, dass eine Einschreibung zum Fachstudium kurzfristig nicht möglich gewesen wäre und auch für viele Teilnehmende unklar ist, wo und wie sie ihre akademische Karriere fortsetzen wollen und können. Darüber hinaus fehlt den meisten das Wissen über Deutschland und das deutsche Hochschulsystem. Somit wird in dem Semester auch Orientierung und Beratung zum weiteren Studienverlauf geben. Damit sich die Studierenden ihre erbrachten Leistun- gen aber an anderen Hochschulen anerkennen lassen kön- nen, erhalten sie für ihre besuchten Kurse Creditpoints. Judith Peltz ist Leiterin des Dezernates Internationales der FH Bielefeld > judith.peltz@fh-bielefeld.de 55

Ulrike Steiger ist EU-Forschungs- referentin an den Pädago- gischen Hochschulen in Baden-Württemberg. Ihre Spezialgebiete als Erasmus+ Expertin sind die Themenfel- der «KA2» und «KA3». Wie ist die Umsetzung der neuen Programmgeneration aus Ihrer Sicht bislang gelaufen? Eine neue Generation bringt immer Herausforderungen mit sich, vor allem Verzögerungen und Unklarheiten. Dennoch waren wir bislang sehr erfolgreich und das hat uns ermutigt. Positiv nehme ich auch das Bemühen der EU wahr, die Ab- läufe vereinfachen zu wollen. Allerdings bin ich nicht sicher, ob das mit den neuen Mechanismen tatsächlich gelingt. Frau Steiger warum haben Sie die Aufgaben einer Expertin übernommen? Ulrike Steiger: Erasmus+ bietet unzählige Chancen, euro- päische Projekte zu entwickeln, die für die Gesellschaft wichtig sind. Das ist vielen gar nicht bekannt oder sie halten es für zu kompliziert. Als Expertin kann ich meine langjähri- gen Erfahrungen einbringen und andere dabei unterstützen, diese Chancen zu ergreifen. Wie wirken sich der Krieg in der Ukraine und die von der Euro- päischen Kommission erlassenen Anpassungen in Erasmus+ auf Ihre Tätigkeit aus? Auf unsere Projekttätigkeiten in Erasmus+ waren diese Aus- wirkungen bislang eher gering, im Mobilitätsbereich sind die Kolleginnen und Kollegen damit aber durchaus konfrontiert. Dr. Stefanie Walter ist Assis- tant Professor für integrierte europäische Nachhaltigkeits- kommunikation an der Fakul- tät Medien der Hochschule Mittweida. Ihr Spezialgebiet als Erasmus+ Expertin ist das Themenfeld «Kommunika- tion». Wie ist die Umsetzung der neuen Programmgeneration aus Ihrer Sicht bislang gelaufen? In EURECA-PRO und an der Hochschule Mittweida habe ich ein riesiges Interesse an den Blended Intensive Programmes wahrgenommen. Diese Gruppenmobilität, die Präsenz und Virtuelles verbindet, finde ich großartig. Das Thema «Grünes Reisen» zu integrieren, ist richtig und sollte weiter forciert werden. Wie wirken sich der Krieg in der Ukraine und die von der Euro- päischen Kommission erlassenen Anpassungen in Erasmus+ auf Ihre Tätigkeit aus? Wie so viele Menschen haben auch mich der Krieg und das Leid, dem die Bevölkerung ausgesetzt ist, schockiert. Euro- päische Begegnungen schaffen Vertrauen und Gemeinschaft. Darüber sollten wir reden, dies erlebbar machen und die positiven Erfahrungen weitertragen. ■ Frau Dr. Walter, warum haben Sie die Aufgaben einer Expertin übernommen? Stefanie Walter: Europa ist geeinter denn je. Das erlebe ich als Projektmanagerin in der europäischen Hochschulallianz EURECA-PRO täglich. Erasmus+ hat dazu einen großen Bei- trag geleistet und wird ihn auch in Zukunft leisten. Als Kom- munikationsexpertin bei dieser Erfolgsgeschichte zu helfen, hat mich von Beginn an begeistert. 57

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